Über die Freiheit

Die Freiheit führt das Volk auf die Barrikaden

Der Freiheitsbegriff, der dem heutigen Verständnis zugrunde liegt, wurde im Zeitalter der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert entwickelt. Die Berufung auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz gilt als zentrales Element der Aufklärung. Erst die Zugrundelegung allgemeiner Menschenrechte garantierte bürgerliche Freiheiten.

Der englische Philosoph und Vordenker der Aufklärung John Locke erklärte in dem Werk „Two Treatises of Government“ (1690) den Naturzustand für den „Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes seine Handlungen zu lenken und über seinen Besitz und seine Person zu verfügen, wie es einem am besten scheint – ohne jemandes Erlaubnis einzuholen und ohne von dem Willen eines anderen abhängig zu sein.

Der Franzose Voltaire prägte mit seinem Ausspruch das Prinzip der Meinungsfreiheit:

Ich bin nicht Eurer Meinung, aber ich werde darum kämpfen, dass Ihr Euch ausdrücken könnt.

Nach dem kantschen Freiheitsbegriff ist Freiheit nur durch Vernunft möglich. Ohne Vernunft folgt der Mensch einem Tier gleich seinen Trieben. Kraft der Vernunft aber ist der Mensch in der Lage, das Gute zu erkennen und sein eigenes Verhalten dementsprechend pflichtgemäß auszurichten. Da nach Kant nur der sich bewusst pflichtgemäß, also moralisch verhaltende Mensch frei ist, sind „freies Handeln“ und „moralisches Handeln“ bei Kant ebenso Synonyme wie der freie Wille und der gute Wille.

Niemand kann mich zwingen, auf seine Art (wie er sich das Wohlsein anderer Menschen denkt) glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege suchen, welcher ihm selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit Anderer, einem gleichem Zwecke nachzustreben, die mit der Freiheit von jedermann nach einem möglichen allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, (das ist diesem Rechte des Andern) nicht Abbruch tut.

In seiner bekanntesten Schrift „On Liberty“ (dt.: „Über die Freiheit„) setzt der britische Philosoph und Nationalökonom John Stuart Mill das Limit,
dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten.

Menschenrechte und Freiheit

Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 enthält eine Präambel und 17 Artikel, welche die grundlegenden Bestimmungen über den Menschen, seine Rechte und den Staat festschreiben. Darin wird erklärt, dass es natürliche und unveräußerliche Rechte wie Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung geben muss. Alle Menschen müssen als gleich gelten, besonders vor dem Gesetz und dem Recht. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 gehört zu den Grundlagen moderner freiheitlich demokratischer Rechtsstaaten. So heißt es in Artikel IV:

„Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat also nur die Grenzen, die den anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss ebendieser Rechte sichern. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden.“

Und in Artikel V heißt es:

„Das Gesetz darf nur solche Handlungen verbieten, die der Gesellschaft schaden. […]“

Der Genuss psychotrop wirkender Substanzen (sprich: die Seele bewegend) wie Cannabis beeinträchtigt die Rechtsgüter anderer Menschen nicht und darf deshalb aus ethischer Sicht auch nicht strafbewehrt sein. Dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie der Anbau, Erwerb und Besitz. Jeder muss auf seine Art genießen können. Und niemand darf, solange der Genuss nicht auf Kosten oder zu Lasten anderer erfolgt, ihn in seinem eigentümlichen Genuss stören.

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) hingegen verstößt in gravierender Weise gegen dieses Grundprinzip der Menschen- und Bürgerrechte, die jedem die Freiheit einräumen, all das zu tun, was keinem anderen schadet.

Gesetzesänderungen gegen Freiheitsrechte

Gottfried Wilhelm von Leibniz
  • Negative Freiheit (Freiheit von etwas) bezeichnet einen Zustand, in dem keine von anderen Menschen ausgehenden Zwänge ein Verhalten erschweren oder verhindern.
  • Positive Freiheit (Freiheit zu etwas) bezeichnet einen Zustand, in dem die Möglichkeit der passiven Freiheit auch tatsächlich genutzt werden kann oder nach noch weitergehender Auffassung einen Zustand, in dem die Möglichkeit tatsächlich genutzt wird.

Ein Beispiel für negative Freiheit ist die Möglichkeit, in Ruhe und Frieden sein Gras rauchen oder seine Haschischkuchen backen zu können, ohne dabei von Polizisten gestört oder verfolgt zu werden. Auch seine Meinung bezüglich verschiedener Haschischsorten frei äußern zu dürfen, ist ein Beispiel negativer Freiheit. Beides ist derzeit nicht möglich, da die geltenden Gesetze diese Freiheiten einschränken, obwohl keine Drittpersonen durch die Ausübung dieser Freiheiten eingeschränkt würden. Im Sinne der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sind solche Gesetze unzulässig. Deshalb setzt sich die Hanfparade für eine die Freiheit respektierende Änderung der Gesetze ein.

Wahre positive Freiheit würde im erstgenannten Beispiel bedeuten, dass es auch erlaubt sein muss, sein Marihuana selbst anzubauen oder auch bei einem Händler zu erwerben. Im zweiten Beispiel darf die Freiheit nicht beim Zugang zu Informationen enden, den Quellen darf auch keinerlei Repression wegen vermeintlicher „Drogen-Empfehlungen“ drohen.

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) stellt die Vorbereitungshandlungen (Anbau, Erwerb, Besitz) für den Genuss bestimmter psychotroper Substanzen unter Strafe (Strafwürdig ist der Umgang mit in den Anlagen I bis III zu § 1 BtMG aufgeführten Substanzen). Für die Vorbereitungshandlungen zum Genuss anderer psychotroper Substanzen sieht das BtMG hingegen keine Strafe vor. Cannabisprodukte sind in den Anlagen aufgeführt und somit ist der Umgang mit ihnen von Strafe bedroht. Die Wissenschaft ist sich jedoch sicher, dass der Umgang mit Haschisch und Marihuana weniger schädlich ist als beispielsweise der Umgang mit Alkohol, der straffrei ist. Die im gesetzten Recht festgelegte Liste der „verbotenen Stoffe“ kann deshalb nur als willkürlich bezeichnet werden. Sie ist nicht gerecht (unerträglich ungerecht). Sie ist „unrichtiges Recht„.

Deshalb setzt sich die Hanfparade für eine die Freiheit respektierende Änderung des BtMG, respektive die Abschaffung der derzeitigen fundamentalistischen (nicht auf Vernunft basierenden und repressiven Drogenpolitik ein.

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Freie Meinungsbildung ade? Wenn staatliche Behörden das Recht brechen

Die Hanfparade 2011 ist nicht die erste Demonstration in Berlin, deren Teilnehmer sich damit auseinandersetzen müssen, dass man ihnen die Ausübung ihrer Grundrechte verwehrte und sie Opfer von Willkür seitens der Exekutive und Judikative wurden.

Hans Cousto auf der Hanfparade 2010
Hans Cousto auf der Hanfparade 2010

Hans Cousto, der seit den Anfängen der modernen Demonstrationskultur in eben dieser aktiv ist und mit der Fuckparade sehr ähnliche Vorgänge erlebt hat, erklärt im folgenden Text, der hier am 18. Oktober 2011 veröffentlicht wurde, warum das Verbot weiter Teile der Hanfparade 2011 rechtswidrig war und wieso die Organisatoren jetzt für ihr Recht auf freie Meinungsbildung kämpfen müssen. Dazu schildert er, wie die Fuckparade vor zehn Jahren einen gleichartigen Kampf kämpfen musste und schlussendlich gewann.

Wenn Grundrechte nicht selbstverständlich sind

Das Recht mit anderen Menschen zusammen für etwas in der Öffentlichkeit zu demonstrieren ist in Deutschland ein unveräußerliches Grundrecht, das in Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Das besagte Grundrecht gewährleistet insbesondere Minderheitenschutz und verschafft auch denen die Möglichkeit zur Äußerung in einer größeren Öffentlichkeit, denen der Zugang zu den Medien versperrt ist. Die darauf bezogene Versammlungsfreiheit genießt einen gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit einen gesteigerten Schutz.
Doch dieses Recht ist in der Bundesrepublik Deutschland keine Selbstverständlichkeit, sondern muss – wie im Fall der Fuckparade 2001 – nicht selten erst bei Gericht eingeklagt werden, wobei es Jahre dauern kann, bis einem das verbriefte Recht auch amtlich zugesprochen wird.

So hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erst knapp sechs Jahre nach der geplanten Fuckparade 2001 entschieden, dass der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung Fuckparade 2001 als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Das Verbot der Fuckparade im Jahr 2001 war somit rechtswidrig.

Die Tatsache, dass der Leiter der Versammlungsbehörde, Joachim Haß, am 14. Juli 2011 in seinem Ablehnungsbescheid große Teile der Abschlusskundgebung der Hanfparade 2011 als nicht konform mit dem Versammlungsgesetz klassifizierte und dies mit einem vom Bundesverwaltungsgericht am 16. Mai 2007 aufgehobenen Urteil (BVerwG 6 C 23.06 betreffend Fuckparade gegen Versammlungsbehörde Berlin) begründete, löste nicht nur im Kreise der Freunde der Hanfparade Empörung aus. Dies vor allem, weil die Versammlungsbehörde von Berlin als Beklagte an diesem Verfahren beteiligt war.

Der Leiter der Versammlungsbehörde, Joachim Haß, wusste als Prozessbeteiligter also genau, dass das von ihm angeführte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Mai 2006 (OVG 1 B 4.05) aufgehoben worden war.

Auch die Tatsache, dass Joachim Haß oder eine andere zuständige Person der Versammlungsbehörde für die Veranstalter der Hanfparade 2011 nach der Erteilung des Ablehnungsbescheides nicht zu sprechen waren, löste ebenso Befremden aus. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass das Gericht am Samstag trotz dieser Umstände den Bescheid der Versammlungsbehörde nicht aufgehoben hat, löste vor allem bei Juristen Bestürzung aus, vor allem auch, weil bekannt wurde, dass das Gericht und die Versammlungsbehörde in ständigen Kontakt standen bei der Findung der Entscheidung.

Hier wurden offenbar in verschiedener Hinsicht rechtsstaatliche Prinzipien gebrochen. Es sollte wohl eine politisch opportune Entscheidung gefällt werden. Enthält eine geplante Zusammenkunft von Personen Elemente, die sowohl auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die anderen Zwecken dienen, ist sie als Versammlung im Sinne des Grundgesetzes und des Versammlungsgesetzes zu behandeln, wenn die anderen Zwecke nicht aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters erkennbar im Vordergrund stehen. (Leitsatz aus dem Urteil des 6. Senats vom 16. Mai 2007 BVerwG 6 C 23.06)

Der Berliner Paradenstreit

Enstehung und Verbot der Fuckparade – Demonstration gegen Kommerz zu Kommerziell?

Als farbenfrohe Demonstration für Freude und Frieden ist die Berliner Love Parade 1989 der damals sich neu entwickelnden Techno-Szene des Berliner Undergrounds entsprungen. Der Discjockey Dr. Motte meldete seinerzeit als Veranstalter diese Demonstration bei der zuständigen Polizeibehörde an und seiner Einladung zum Friedenstanz folgten etwa 150 Freunde aus der Szene. Mit ihrer Art zu demonstrieren, setzten sie völlig neue Akzente in die Versammlungskultur.

Foto von den Fuckparade 2007 Vorbereitungen, Foto: Wolfgang Sterneck
Foto von den Fuckparade 2007 Vorbereitungen

Mitte der neunziger Jahre war die Love Parade schon weit mehr vom Kommerz als von der Kultur geprägt. Ein paar wirtschaftlich und personell eng verflochtene Firmen hatten das rege Medieninteresse an der Love Parade für die Werbung ihrer Veranstaltungen sowie von teuren Markenprodukten ausgeschlachtet und die Love Parade war vom Konzept her nichts anderes mehr als ein rein kommerzielles Straßenfest. Außer der Love Parade GmbH waren vor allem die Planetcom GmbH, die May Day GmbH sowie die Low Spirit Recordings GmbH an der Ausschlachtung der Berliner Underground-Kultur zum Nachteil der Underground-Szenen in der Stadt beteiligt. Die Love Parade GmbH, eine auf Gewinnstreben ausgelegte Kapitalgesellschaft, verlangte für jeden Musikwagen mehrere Tausend Mark Anmeldegebühr, so dass viele Berliner Szene-Clubs, in denen nicht wenige der groß präsentierten Musiktitel entstanden, keine Teilnahmechancen hatten. Zudem kassierte die Love Parade GmbH jährlich aus den Verkäufen von Bildrechten und Werbeeinnahmen Beträge in Millionenhöhe. Kurzum, die Love Parade GmbH nutzte über Jahre hinweg für ihre Tanzparade in Berlin den Status einer Demonstration und die damit verbundene Förderung mit Steuergeldern (Kosten für Absperrungen und Reinigung zu Lasten der Staatskasse) und konnte so Gewinne in Millionenhöhe erwirtschaften.

Um gegen diesen Missbrauch des Versammlungsrechtes wie auch gegen den damit einhergehenden Trend zur Kommerzialisierung der Berliner Technoszene ein Signal zu setzen, haben sich 1996 vor allem politisch redlich denkende Raver vom Umfeld der Love Parade und ihre Macher distanziert und ab 1997 jeweils am Tag der Love Parade zu einer Demonstration gegen diesen Missbrauch und vor allem auch gegen diese Kommerzialisierung aufgerufen und sich zur Veranstaltung der Hateparade (1997) respektive Fuckparade (ab 1998) versammelt. Somit war den Behörden in Berlin spätestens ab der Anmeldung der Hateparade im Juli 1997 durch DJ Trauma XP der Tatbestand bekannt, dass die Love Parade keine Demonstration im Sinne des Versammlungsrechtes war, sondern eine kommerzielle Tanzveranstaltung. Dennoch duldeten die Polizeibehörden die Love Parade als Demonstration, weil sie so viel Geld und Touristen in die Stadt holte wie keine andere Großveranstaltung in Berlin.

Erst die ursprünglich für den 14. Juli 2001 vorgesehene, dann aber erst am 21. Juli 2001 durchgeführte Love Parade, die wegen einer bereits zuvor für den gleichen Zeitraum am gleichen Ort angemeldeten Demonstration zum Thema „Der Tiergarten gehört allen Berlinern“ untersagt worden war, wurde gemäß Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 22. Mai 2001 nicht mehr als Demonstration anerkannt. Zur Begründung hieß es, die Love Parade sei eine reine Musikveranstaltung und weise nicht den für eine Versammlung maßgeblichen verbindenden Zweck der Meinungsbildung und Meinungsäußerung auf. Auch das in dieser Sache angerufene Verwaltungsgericht entschied am 28. Juni 2001 in gleicher Weise und stellte zudem fest, dass die Versammlungseigenschaft auch deshalb zu verneinen sei, weil es sich bei der Love Parade um eine kommerzielle Veranstaltung handle. Es sei nicht gerechtfertigt, rein wirtschaftlich motivierte Zusammenkünfte von Menschen verfassungsrechtlich zu privilegieren. Diese Entscheidung wurde am 6. Juli 2001 vom Oberverwaltungsgericht und am 12. Juli 2001 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. So war die Love Parade im Jahr 2001 keine Demo, sondern eine reine Straßenveranstaltung (auf der Basis einer straßenrechtlichen Sondernutzungsgenehmigung) und die Macher mussten die Müllbeseitigung sowie andere Nebenkosten bezahlen und nicht mehr der Steuerzahler.

Uneinigkeit bei den Gerichten

Der Antrag von DJ Trauma XP, die Fuckparade im Juli 2001 als Demonstration durchzuführen, wurde vom Polizeipräsidenten in Berlin mit Bescheid vom 14. Mai 2001 zurückgewiesen. Dem eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des Polizeipräsidenten wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2001 stattgegeben. Das Gericht stellte fest, dass es für die Qualifizierung als Versammlung unerheblich sei, ob Musik und Tanz zur Unterstützung der Versammlungsthemen als spezifische Ausdrucksformen eingesetzt werden. Die Veranstaltung habe gleichwohl deshalb Versammlungscharakter, weil die Verbreitung zahlreicher Handzettel beabsichtigt sei, auf denen das Anliegen der Veranstaltung ausführlich und verständlich dargestellt werde. Zudem verfolge die Fuckparade nicht wie die Love Parade kommerzielle Zwecke. Weder müssen für die Musikwagen Startgebühren entrichtet werden, noch seien Werbeeinnahmen oder sonstige Gewinne zu erwarten. Die Fuckparade habe den Charakter einer Demonstration.

Das Oberverwaltungsgericht änderte diese Entscheidung mit Beschluss vom 6. Juli 2001 wieder mit der Begründung ab, das Schwergewicht der Veranstaltung liege eindeutig auf dem Gebiet der Unterhaltung. Dem schloss sich auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 12. Juli 2001 mit einer äußerst realitätsfremden abschließenden Bemerkung an, dass auch der Fuckparade die Möglichkeit bleibe, eine Sondernutzungsgenehmigung für die Straßenbenutzung zu beantragen, wobei deren Erteilung nicht aus zeitlichen Gründen im Hinblick auf den langwierigen, die rechtliche Einordnung der Veranstaltung betreffenden Entscheidungsprozess, versagt werden dürfe. Da eine kostenneutrale Sondernutzungsgenehmigung in nur einem Tag in Berlin nicht erteilt werden kann, wurde der Fuckparade somit ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit mit höchstrichterlichem Segen verwehrt. Die Fuckparade konnte nicht stattfinden. Stattdessen wurde am 14. Juli 2001 für das Demonstrationsrecht und die freie Wahl der Mittel bei einer Versammlung auf öffentlichem Grund demonstriert. Radio Fritz, ein öffentlich-rechtlicher Radiosender in Berlin, solidarisierte sich mit der Fuckparade. Die Djs konnten in der Volksbühne ihre Platten auflegen, die Musik wurde vom Radiosender übertragen und sollte auf der Demonstration aus Radios und Ghettoblastern die verbotenen Soundsysteme ersetzen. Prompt wurden auch die Radios und Ghettoblaster verboten, obwohl das Abspielen von Musik auf Demonstrationen sonst etwas selbstverständliches ist.

Besonders pikant dabei ist die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss feststellte, dass Versammlungen auch dann in den Schutzbereich des Versammlungsfreiheit fallen, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies gilt jedoch nur, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die örtliche Meinungsbildung einzuwirken. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann erfasst und rechtlich geschützt, wenn sie sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden sollen. Geschützt durch das Grundgesetz ist in solchen Fällen die kommunikative Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, um auf die zukünftige Durchführung solcher Veranstaltungen hinzuwirken, nicht aber das Abhalten der Musik- und Tanzveranstaltung selbst. Nach mehreren Gerichtsverhandlungen, die sich insgesamt über etwa sechs Jahren hinzogen, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 16. Mai 2007 entschieden, dass der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung Fuckparade 2001 als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Das Verbot der Fuckparade im Jahr 2001 war somit rechtswidrig.

Die Chronologie eines Rechtsstreites – gehört Musik zur Meinungsbildung?

Der Leiter der Berliner Versammlungsbehörde, Joachim Haß, hatte in einem Kooperationsgespräch mit dem Veranstalter der Fuckparade am 9. April 2001 angekündigt, die Fuckparade dieses Jahr nicht mehr als Demonstration genehmigen zu wollen. Vorsorglich hatten die Veranstalter der Fuckparade gegen diesen mündlichen Verwaltungsakt am 18. April 2001 Widerspruch eingelegt, jedoch ohne Erfolg. Gegen die Ablehnung der Fuckparade als Demonstration haben die Fuckparade-Organisatoren 21. Mai 2001 vor dem Berliner Verwaltungsgericht einen Eilantrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen das Land Berlin gestellt. Im Beschluss vom 28. Juni 2001 begründete das Verwaltungsgericht Berlin ausführlich, warum die Fuckparade eine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.

Nachdem das Berliner Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28. Juni 2001 der Fuckparade die Versammlungseigenschaft zuerkannt hatte, reichte die Versammlungsbehörde am 3. Juli 2001 Beschwerde gegen diesen Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Berlin ein. Mit Beschluss vom 6. Juli 2001 erklärte das Berliner Oberverwaltungsgericht, dass die geplante Fuckparade 2001 keine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.

Am 9. Juli 2001 beantragte der Anmelder der Fuckparade 2001 beim Bundesverfassungsgericht in einem Eilantrag die Aufhebung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 06.07.2001 und des Bescheides des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14.05.2001 zu regeln und dass die mit Schreiben vom 19.03.2001 angemeldete Fuckparade 2001 nach dem Versammlungsgesetz zu behandeln sei. In dem Verfahren über diesen Antrag entschied das Bundesverfassungsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung, dass die Fuckparade 2001 keine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.

“Für Demonstrationsfreiheit, für eine freie Wahl der Mittel einer Demonstration”

Nachdem der Antragsteller mit seinem Begehren, die für den 14. Juli 2001 geplante Fuckparade 2001 als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes abzuhalten, nunmehr auch höchstrichterlich gescheitert war, meldete er sogleich für den selben Termin eine Versammlung zum Thema „Für Demonstrationsfreiheit, für eine freie Wahl der Mittel einer Demonstration“ in Berlin-Mitte an. Nach der Anmeldung sollte eine herkömmliche Demonstration mit Transparenten, Megafonen, Sprechchören und Redebeiträgen abgehalten werden; Musikwagen seien nicht vorgesehen. Der Antragsteller rief indes alle Teilnehmer in einem im Internet veröffentlichten Aufruf dazu auf, zivilen Ungehorsam zu zeigen. Dazu sollten alle Teilnehmer Musikinstrumente, Trommeln und Ghettoblaster mitbringen. Weiter hieß es in dem Aufruf wörtlich: „Durch das Mitbringen der Radios zeigen wir auch die immer wieder geforderte innere Verbundenheit: Radio Fritz hat sich solidarisch mit den Veranstaltern gezeigt und stellt uns von 14-20 Uhr eine Frequenz und einen Übertragungswagen zur Verfügung, über den sich unsere DJs, MCs und RednerInnen Gehör verschaffen können.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2001 hatte der Polizeipräsident in Berlin die Anmeldung bestätigt und zugleich mit der Auflage versehen, dass das Mitführen von elektronischen Musikabspielgeräten (wie z.B. Ghettoblaster, Radios, CD-Player o.ä.) und Musikinstrumenten untersagt werde. Zwischenzeitlich hatte die Behörde klargestellt, dass hiervon rein mechanisch betriebene Instrumente ausgenommen seien. Zur Begründung hatte sich die Behörde im Kern darauf berufen, dass anderenfalls über den Umweg einer Radioübertragung die Durchführung der Fuckparade 2001 in ihrer ursprünglichen Form ermöglicht würde. Gegen diese Auflagen legte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht in Berlin Widerspruch ein. Gemäß Beschluss vom gleichen Tag wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Widerspruch zurück. Die Beschwerde des Antragstellers beim Oberverwaltungsgericht gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Juli 2001 wurde am folgenden Tag abgelehnt.

Im Hauptverfahren zum 1. Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht Berlin am 23. November 2004 festgestellt, dass der Verwaltungsakt der Versammlungsbehörde zur Fuckparade 2001 rechtswidrig gewesen sei. Es teilte jedoch nicht die Auffassung, dass die Fuckparade 2001 auch ohne Redebeiträge eine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes gewesen wäre.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte am 2. Mai 2006 die Berufung zurückgewiesen und entschieden, dass die Fuckparade 2001 in ihrer ursprünglich angemeldeten Form ohne Redebeiträge keine Demonstration gewesen wäre. Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde wegen der grundlegenden Bedeutung des Urteils jedoch zugelassen.

Sieg der Fuckparade  – Musik gehört zur Meinungsbildung

Fuckparade 2001 - Musik IST eine Form der politischen Meinungsäusserung
Fuckparade 2001 – Musik IST eine Form der politischen Meinungsäusserung

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 16. Mai 2007 entgegen den vorausgegangenen Beschlüssen des Berliner Verwaltungsgerichts und Oberverwaltungsgerichts bestätigt, dass die Fuckparade 2001 in der geplanten Form auch ohne Redebeiträge eine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes gewesen wäre und entschieden, dass der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung Fuckparade 2001 als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Die von dem Kläger angemeldete Veranstaltung war als Versammlung zu behandeln, weil nicht zweifelsfrei auszuschließen ist, dass die Veranstaltung, mit Blick auf ihr Gesamtgepräge, für einen Außenstehenden erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet war.

Bei der Beurteilung des Gesamtgepräges einer Veranstaltung sind mit Blick auf die besondere Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit im Wege einer Gesamtschau alle maßgeblichen Gesichtspunkte mit der ihnen zukommenden Bedeutung zu berücksichtigen. Dem hat das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend Rechnung getragen. Es hat mehrere relevante Umstände unberücksichtigt gelassen. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht angestellten eigenständigen Beurteilung des Gesamtgepräges der Veranstaltung war diese als Versammlung zu behandeln. Dafür, dass die Veranstaltung erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sein sollte, sprechen insbesondere die Handzettel, auf denen die Forderungen der Veranstaltung wiedergegeben und näher beschrieben wurden, und die beabsichtigte Wiedergabe der Forderungen auf den an den Lastkraftwagen befestigten Bannern. Von Bedeutung sind auch der Internetauftritt des Klägers, in dem die Forderungen der Veranstaltung ausführlich dargelegt und begründet wurden, und die von dem Kläger initiierte Podiumsdiskussion.

Angesichts der zahlreichen aussagekräftigen Umstände, die für eine Versammlung sprechen, kann nicht angenommen werden, dass die auf Musik, Tanz und Unterhaltung gerichteten Elemente der Veranstaltung im Vordergrund gestanden hätten. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat auch für zahlreiche andere Demonstrationen eine grundlegende Bedeutung, da ihnen der Status allein wegen des Fehlens von Redebeiträgen nicht mehr verwehrt werden darf.

Urteile zur Fuckparade 2001

Flyer der Hanfparade 2010 mit "Cannabis ist (Welt)Kultur!"-Logo und Informationen zur Demo

Hanfparade 2010 – Cannabis ist Weltkultur

Flyer der Hanfparade 2010 mit "Cannabis ist (Welt)Kultur!"-Logo und Informationen zur Demo

Die Hanfparade 2010 fand am Samstag, dem 7. August 2010 statt. Sie begann um 13 Uhr mit einer Kundgebung zwischen Fernsehturm und S-Bahnhof Alexanderplatz.

Ziel der Hanfparade 2010 war es, das Wissen um die Kulturpflanze Hanf und die Legalisierung ihrer Nutzung als Rohstoff, Medizin und Genussmittel auf die politische Tagesordnung zu setzen.

Die Hanfparade forderte u.a., die gesamte Hanfkultur dem immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO zuzuordnen. „Wir wollen Hanf als Rohstoff, Lebens-, Genussmittel und Medizin zum Wohl der Menschheit nutzen“ so Hanfparade-Pressesprecher Steffen Geyer. Die Hanfparade forderte deshalb ein Ende der gegenwärtigen – ausschließlich auf Strafverfolgung ausgerichteten – Drogenpolitik.

An der Hanfparade 2010 beteiligten sich ca. 3000 Menschen.

Hier geht es zum Archiv der Website von 2010 (deutschsprachiger Bereich).

Videoplaylist zur Hanfparade 2010

Ohne Akzeptanz ist das BtMG kontraproduktiv

Was Recht und was Unrecht ist, muss, damit eine Rechtsnorm allgemein akzeptiert wird, verständlich und überzeugend sein und sollte nicht im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. Nur eine allgemein akzeptierte Rechtsnorm kann auf Dauer den sozialen Frieden in der Gesellschaft sichern. Eine Rechtsnorm, die bestimmte Gruppierungen der Gesellschaft diskriminiert und andere bevorzugt, bringt Zwietracht ins Land und ist der Keim von sozialen Unruhen.

Solange, wie zuvor bereits erwähnt, der heutige Rechtsstaat im Bewusstsein der Menschen als Garant von in der Verfassung genau umrissenen Rechtsgütern wie eben zum Beispiel die freie Meinungsäußerung und Persönlichkeitsentfaltung verankert ist, wird der soziale Friede im Land von einer großen Mehrheit der Bevölkerung gestützt. Assoziiert jedoch eine Mehrheit mit modernem Rechtsstaat Begriffe wie Kronzeugenregelung, V-Leute, großer Lauschangriff, Observation, Telefonüberwachung, Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung, etc., dann fühlen die Menschen sich gedemütigt und sehen sich nicht mehr als Teil des Staates, sondern denselben als Bedrohung und Feind.

Das BtMG ist eine Rechtsnorm, die von vielen in ihrer heutigen Form nicht akzeptiert wird, da das BtMG eine einseitige und willkürliche Beschneidung individueller Lebensgestaltung mit sich bringt.

Grafische Darstellung des Vier-Säulen-Modells in der Drogenpolitik von Deutschland

Über das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

Grafische Darstellung des Vier-Säulen-Modells in der Drogenpolitik von Deutschland

Die deutsche Drogenpolitik basiert, so die offizielle Darstellung, auf dem Gleichgewicht von vier Säulen. Ein Maßnahmenmix aus „Prävention“, „Suchthilfe“, „Überlebenshilfe“ und „Repression“ soll leisten, was in der Geschichte der Menschheit noch nie gelang – Eine „drogenfreie Gesellschaft“ soll entstehen.

Den vorgeblichen Gleichklang der drogenpolitischen Säulen gibt es in der Realität indes nicht. Geradezu sträflich einseitig konzentriert sich die Politik auf repressive Maßnahmen.
Das wichtigste drogenpolitische Werkzeug unserer Zeit, die von Verboten und der Drohung mit Strafe geprägt ist, ist das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

Um zu zeigen, dass sich dieses BtMG auch weit über 40 Jahre nach seiner Verkündung weder aus ethischer noch aus rationaler Sicht günstig auf das Wohlbefinden der Menschen auswirkt, bieten wir im Folgenden umfangreiche Informationen über Entstehung, Ziele und Auswirkungen des Betäubungsmittelgesetzes.

  1. Die Geschichte des BtMG

    1. Der Weg zum Opiumgesetz
    2. Hanf im Opiumgesetz?
    3. Vom Opiumgesetz zum BtMG
  2. Die Regeln des BtMG

    1. Mittel, Stoffe und Substanzen
    2. Verordnungen und Dringlichkeit
  3. Auswirkungen des BtMG

    1. Tatverdächtigen Zeitreihe
    2. Jugendliche Tatverdächtige
    3. Vergleich BtM- und Cannabisdelikte
    4. Anteil der allgemeinen Verstöße
    5. Repression in Deutschland und der Schweiz im Vergleich
  4. Gesellschaftsschäden durch das BtMG?

    1. Die Gefährlichkeit von Drogen
    2. Alkohol oder Cannabis – Was ist schädlicher?
    3. Drogengesetze: Manipulation statt Information
    4. Lügen für die Weltgesundheit?
    5. Manipulation durch die Bundesregierung
    6. Rechtssprechung auf Basis der Drogenlüge
    7. Ohne Akzeptanz ist das BtMG kontraproduktiv

Für die Texte zeichnet sich der Musikwissenschaftler, Drogenforscher und Autor Hans Cousto verantwortlich.

Eine druckerfreundliche Vorabfassung dieser Texte (PDF, 31 S., 159 KB) ist am 23. Dezember 2010 auf der Website von Eve & Rave Berlin publiziert worden.

Vom Opiumgesetz zum BtMG

Bis zur Mitte der sechziger Jahre war Drogenpolitik im Verhältnis zu anderen Politikfeldern ein äußerst kleiner und gesellschaftlich kaum beachteter Bereich. Wohl vor allem auf Grund der geringen Zahl sozial auffälliger Drogenkonsumenten blieb das Opiumgesetz weithin papierenes Recht ohne akute Verfolgungsrealität.1 Entsprechend niedrig war die Zahl der wegen des Opiumgesetzes Verurteilten Personen. Anfang der Sechziger lag diese zwischen 100 und 150 pro Jahr. Das heißt zwei bis drei Verurteilungen pro Woche in der ganzen Bundesrepublik Deutschland.2

Bei der Gesamtbetrachtung der historischen Entwicklung vom Opiumgesetz zum Betäubungsmittelgesetz ist zu beachten, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht frei ist, welche Ziele sie im Bereich der Drogenpolitik verfolgen will. Sie ist vielmehr durch eine Reihe von Übereinkommen im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) gebunden. Es handelt sich hierbei um das Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe3 in der Fassung des Protokolls vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (sogenannte Single-Convention)4 und um das Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe.5

Vor dem Hintergrund dieser internationalen Entwicklung änderte sich der Stellenwert der Drogen- und speziell der Cannabispolitik Ende der sechziger Jahre. Dies geschah unter dem Eindruck des vor allem dem in den USA wahrgenommenen „Jugend-Drogen-Problems„. Auch in Deutschland vermittelte die Presse nach dem reißerischen Vorbild in den Vereinigten Staaten den Eindruck einer gewaltigen „Haschisch- und Drogenwelle„, die das Land zu überrollen drohe.
Zur Dramatisierung vermeintlicher „sozialer Probleme“ wurden Drogen mit der von Studenten getragenen Protestbewegung, die sich während der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD von 1966 bis 1969 als „Außerparlamentarische Opposition (APO)“ formiert hatte, in Verbindung gebracht.6

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) im Dezember 1971 das Opiumgesetz, das vor allem die verwaltungsmäßige Kontrolle der medizinischen Versorgung der Bevölkerung regelte, durch ein neues „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz, BtMG)“ ersetzt.
Dem neuen Gesetz liegt eine differenzierte Klassifizierung von Tatmerkmalen zugrunde, so dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedem Tätertypus eine Sanktionsstufe zugeordnet werden kann, wobei die Höchststrafe von drei auf zehn Jahre heraufgesetzt wurde. Das BtMG wurde am 22. Dezember 1971 verkündet, am 24. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und am 25. Dezember 1971 in Kraft gesetzt. Nach einigen redaktionellen Änderungen wurde es am 10. Januar 1972 neu bekannt gemacht.7

Der Gesetzgeber (Legislative) ermächtigte in § 1 Abs. 2 bis 6 BtMG die Bundesregierung (Exekutive) durch Rechtsverordnung weitere Stoffe den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zu unterstellen. Diese Ermächtigungsgrundlage der Bundesregierung ist nach Ansicht diverser namhafter Juristen nicht mit dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes (GG) vereinbar, da das BtMG nicht nur Ordnungswidrigkeiten und Vergehen, sondern auch Straftaten (unter anderem kriminelle Handlungen) mit Strafe bedroht. Die Tatsache, dass nicht nur der Gesetzgeber, sondern ein Verordnungsgeber der Exekutive Straftatbestände schaffen kann, die mit hohen Freiheitsstrafen (seit dem 25. Dezember 1971 bis zu zehn Jahren, seit dem 1. Januar 1982 sogar Höchststrafen bis zu 15 Jahren)8 geahndet werden können, hat in den vergangenen Jahren immer wieder heftige und kontroverse Debatten im Kreise der Verfassungs- und Strafjuristen ausgelöst, da einerseits Grundrechtsbegrenzungen nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebotes erfolgen dürfen und anderseits die strafbewehrte Drogenprohibition kaum geeignet scheint, das gesetzgeberische Ziel (Verfügbarkeit der in den Anlagen aufgeführten Stoffe zu unterbinden) zu erreichen.

Bei der Novellierung des BtMG hat der Gesetzgeber 1981 eine Akzentverschiebung vorgenommen. Gemäß Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681) wurde neben drastischen Strafverschärfungen in den §§ 29 a, 30, 30 a und 30 b für „schwere Rauschgiftkriminalität„, die am 1. Januar 1982 in Kraft traten, die sozialtherapeutische Rehabilitation für abhängige Straftäter stärker in den Vordergrund gerückt.


  • 1S. Quensel: Drogenelend. Cannabis, Heroin, Methadon. Für eine neue Drogenpolitik, Frankfurt 1982, S. 77
  • 2H. Ellinger: Betäubungsmittel und Strafbarkeit, in: Schriftenreihe des Bundeskriminalamtes 1974/1-3, S. 26 ff.
  • 3Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe (BGBl. 1973, II S. 1353)
  • 4Protokoll vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe, sogenannte Single-Convention (BGBl. 1975, II S. 2; BGBl. = Bundesgesetzblatt)
  • 5Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976, II S. 1477)
  • 6V. Schmidt: Alte Politik gegen neue Drogen ? Deutungsmuster in der drogenpolitischen Debatte – die Beispiele Cannabis und Ecstasy . Eine Inhaltsanalyse der bundesdeutschen Tages- und Wochenpresse 1967-1972 und 1992-1997, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra Atrium der Universität Hamburg, Hamburg 1998, S. 21
  • 7Das neue Gesetz wurde am 22. Dezember 1971 verkündet, am 24. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt (IS. 2092) veröffentlicht und am 25. Dezember 1971 in Kraft gesetzt. Nach einigen redaktionellen Änderungen wurde das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln am 10. Januar 1972 neu bekannt gemacht (BGBl. I. S. 1).
  • 8Bei der Novellierung des BtMG hat der Gesetzgeber 1981 eine Akzentverschiebung vorgenommen. Im BtMG gemäß Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681) wurde neben den drastischen Strafverschärfung in den § 29 a, 30, 30 a und b für „schwere Rauschgiftkriminalität“, die am 1. Januar 1982 in Kraft traten, die sozialtherapeutische Rehabilitation für abhängige Straftäter stärker in den Vordergrund gerückt.
Grafik Scan des Opiumgesetzes von 1912 - Convention international l'opium

Cannabis im Opiumgesetz?

Die deutsche Pharmaindustrie wurde durch die gesetzgeberischen Aktivitäten kaum beeinträchtigt. Die deutschen Exportschlager Morphin, Heroin, Kokain und Codein wurden zwischen 1921 und 1928 mit großen Steigerungsraten produziert.1 Allein im Jahr 1928 verarbeitete die deutsche „Alkaloidindustrie“ knapp 200 Tonnen Opium. Daraus wurden über 20 Tonnen Morphin gewonnen, knapp ein Viertel wurde exportiert. Im Deutschen Reich wurden demnach Ende der 20er Jahre etwa 15 Tonnen Morphin pro Jahr verbraucht – mehr als 100 Millionen Einzeldosen!
Straftaten nach dem Opiumgesetz waren in den 20er Jahren eine Seltenheit. Es wurden nur 100 bis 300 Personen pro Jahr verurteilt.

Grafik Scan des Opiumgesetzes von 1912 - Convention international l'opiumDas Opiumgesetz richtete sich noch nicht gegen Cannabis. Es beschränkte sich auf Opium, Morphium und Heroin und deren Salze, Esther, Ether, etc. einerseits und Kokain und verwandte Stoffe anderseits.
Erst bei der 2. Opiumkonferenz im Jahr 1925 in Genf wurde die Hanfdroge in ein internationales Abkommen aufgenommen. China und die USA hatten bei der Abstimmung die Konferenz bereits unter Protest verlassen. Indien und sieben weitere Länder stimmten gegen die Aufnahme des Hanfs unter die zu kontrollierenden Drogen. Ägypten und neun weitere Länder, für eine solche Aufnahme. Großbritannien und die Niederlande enthielten sich der Stimme.
Das Deutsche Reich stimmte dafür, weil Ägypten im Gegenzug dem Deutschen Reich zusicherte, kein Importverbot für Heroin zu erlassen. Hanf wurde 1925 den Interessen der deutschen Pharmaindustrie geopfert.

Die Ergebnisse der 2. Opiumkonferenz wurden am 26. Juni 1929 zu deutschem Recht.2 Seither fiel auch der indische Hanf, das heißt auch Haschisch und Marihuana, unter den Geltungsbereich des Opiumgesetzes, wobei die medizinische Anwendung nicht tangiert wurde.

Am 10. Dezember 1929 integrierte man sämtliche bis dahin gültigen Verordnungen und Gesetze in einem neuen Opiumgesetz.3 Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 22. Mai 19334 und dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 9. Januar 19345 und dem Gesetz über Reichsverweisungen vom 23. März 19346 wurden die verwaltungsrechtlichen Vorschriften auf Grund neuer internationaler Verpflichtungen noch mehrfach geändert. Zudem wurde die zusätzliche Möglichkeit geschaffen, durch Rechtsverordnung ständig neue Stoffe dem Opiumgesetz zu unterstellen, wenn dies auf Grund ihrer Wirkungsweise gerechtfertigt erschien (§ 1 Abs. 2 OpiumG 1929).
Die Höhe der Strafandrohung wurde jedoch stets bei drei Jahren Gefängnis und/oder Geldbuße belassen.

Von der Möglichkeit weitere Betäubungsmittel den Bestimmungen zu unterstellen, wurde im Deutschen Reich nur selten Gebrauch gemacht. Wenn dann wurden jeweils eine oder wenige Substanzen, die vornehmlich als Opiatersatz dienten, dem Opiumgesetz unterstellt. Insgesamt gab es bis 1945 nur sechs solche Verordnungen. Nach Kriegsende machte die Bundesregierung erstmals am 16. Juni 1953 Gebrauch von der Regelung und erweiterte den Geltungsbereich des Opiumgesetzes um gleich 13 neue Stoffe.

Mit Beginn der sechziger Jahre wurden immer häufiger immer mehr Stoffe dem Opiumgesetz unterstellt, wobei die „Unterstellungs-Verordnungen“ nun „Gleichstellungs-Verordnungen“ hießen. Bis zur Einführung des neuen Betäubungsmittelgesetzes im Dezember 1971 wurden fünf Gleichstellungs-Verordnungen in Kraft gesetzt.


  • 1Hessische Kommission „Kriminalpolitik“: Dokumentation. Entkriminalisierungsvorschläge der Hessischen Kommission „Kriminalpolitik“ zum Betäubungsmittelstrafrecht, in: Strafverteidiger 5/1992, S. 249 ff.
  • 2Gesetz über das Internationale Opiumabkommen vom 19 Februar 1925 im Deutschen Reich per Gesetz vom 26. Juni 1929 zu innerstaatlichem Recht deklariert (RGBl. 1929, II S. 407)
  • 3Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) vom 10. Dezember 1929 (RGBl. 1929, I S. 215)
  • 4Erstes Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 22. Mai 1933 (RGBl. 1933, I S. 287)
  • 5Zweites Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 9. Januar 1934 (RGBl. 1934, I S. 22)
  • 6§ 11 Nr. 4 Gesetz über Reichsverweisungen vom 23. März 1934 (RGBl. 1934, I S. 213)
Apothekergefäss für Opium, Wikipedia, Author Bullenwächter

Der Weg zum Opiumgesetz

Apothekergefäss für Opium, Wikipedia, Author BullenwächterBis zum Ersten Weltkrieg war der Handel mit Drogen im Deutschen Reich gesetzlich nicht geregelt. Erst 1917 wurde eine Verordnung über Opiate und Kokain erlassen.

Die an der Front und in den Lazaretten in stetig wachsenden Mengen benötigten Betäubungsmittel wurden damals aufgrund der Handelsblockaden knapp. Versorgungsprobleme zwangen die Reichsregierung zur Drogenkontrolle. Die Verordnung vom 22. März 19171 umfasste 3 Paragraphen und regelte den Handel mit Opium, Morphium und den übrigen Opiumalkaloiden, Kokain sowie analog zusammengesetzter Ekgoninverbindungen.2 Bei Verstößen drohten damals bis zu einem Jahr Gefängnis und/oder 10.000 Mark Geldstrafe.

Verschlimmert durch Diebstähle aus Krankenhäusern und Lazaretten wurde die Versorgungslage im Revolutionsjahr 1918 katastrophal. Als Reaktion wurde am 15. Dezember 19183 eine neue Verordnung über den Verkehr mit Opium erlassen. Mengen, welche nachstehende Grenzen überstiegen unterlagen danach der Meldepflicht:

1. Opium und Opiumpulver insgesamt: 1 Kilogramm

2. Opiumextrakte: 100 Gramm

3. Opiumtinkturen: 10 Kilogramm

4. Morphin und dessen Salze, gleichviel in welcher Form, insgesamt: 1 Kilogramm

5. Codein und dessen Salze, gleichviel in welcher Form insgesamt: 1 Kilogramm

6. andere Opiumalkaloide sowie die Verbindungen und Zubereitungen insgesamt: 1 Kilogramm

Die Strafandrohung bei Zuwiderhandlung wurde gegenüber der Verordnung von 1917 abgesenkt und lag bei höchsten sechs Monaten Gefängnis und/oder 10.000 Mark Geldstrafe.

Auszug aus dem Opiumgesetz

Am 20. Juli 1920 folgte hierauf unter Beibehaltung der nach heutigen Maßstäben geringen Strafandrohung die „Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln“.4 Der Versuch die Versorgung der Krankenhäuser und Arztpraxen mit Schmerzmitteln zu sichern und den Schwarzmarkt einzudämmen, indem dem Großhandel umfangreiche Dokumentationspflichten auferlegt wurden, schien zunächst zu funktionieren. Dies änderte eine neue Initiative der „Internationalen Vereinigung für den Kampf gegen das Opium in Peking und England“. Auf ihr Betreiben wurde der Versailler Vertrag5 in Artikel 295 I um die Verpflichtung der Verliererstaaten ergänzt, die Internationale Opiumkonvention6 vom 23. Januar 1912 binnen 12 Monaten7 zu ratifizieren.

Knapp zwei Wochen vor Ablauf der im Vertrag von Versailles gesetzten Frist, am 30. Dezember 1920, kam das Deutsche Reich seiner Verpflichtung mit der Einführung eines Opiumgesetzes8 nach. Dieses Gesetz behielt die zentralen Aufsichtsrechte des Reichsgesundheitsamtes bei und verfügte in § 8 für Verstöße gegen die Erlaubnis-, Bezugsschein-, und Lagerbuchführungspflichten und gegen bestimmte Ein- und Ausfuhrregelungen Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten und/oder Geldstrafe bis zu 10.000 Mark. Es unterschied sich also in der Strafhöhe nicht von den Verordnungs-Vorgängern.9
Dennoch bedeutete die Einführung des Opiumgesetzes eine Zäsur in der deutschen Drogenpolitik. Erstmals unterlag mit Rauchopium ein Stoff einem allgemeinen Verkehrsverbot – Einfuhr und Handel selbst kleinster Mengen waren generell verboten.

Mit einem Änderungsgesetz zum Opiumgesetz vom 21. März 192410 wurde die Strafandrohung von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht.


  • 1 Verordnung betreffend den Handel mit Opium und anderen Betäubungsmitteln vom 22. März 1917 (RGBl. 1917 I S. 256; RGBl. = Reichsgesetzblatt)
  • 2 Ekgonin (auch Ecgonin) ist die Carbonsäure des Tropins, das mit Tropasäure verbunden, Atropin ergibt. Der Methylbenzoylesther des Ekgonins ist das Kokain.
  • 3 Verordnung über den Verkehr mit Opium vom 15. Dezember 1918 (RGBl. I S. 1447)
  • 4 Verordnung über den Verkehr mit Opium und anderen Betäubungsmitteln vom 20. Juli 1920 (RGBl. I S. 1464); Vgl.: S. Scheerer: Die Genese der Betäubungsmittelgesetze in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden, Göttingen 1982, S. 41 ff.
  • 5 Versailler Vertrag, am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal zu Versailles unterzeichneter und am 10. Januar 1920 in Kraft getretener Friedensvertrag der alliierten und assoziierten Mächte mit dem Deutschen Reich, der den 1. Weltkrieg zwischen den Unterzeichnerstaaten beendete.
  • 6 Gegen Opiummißbrauch (in China) richtet sich die am 23. Januar 1912 in den Niederlanden (Den Haag) geschlossenen Internationale Opiumkonvention.
  • 7 „Diejenigen der hohen vertragschließenden Teile, die das Haager Opium-Abkommen vom 23. Januar 1912 noch nicht unterzeichnet oder nach der Unterzeichnung noch nicht ratifiziert haben, erklären sich damit einverstanden, das Abkommen in Kraft zu setzen und zu diesem Zwecke sobald wie möglich und spätestens binnen 12 Monaten nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages die nötigen Gesetze zu erlassen.“ (RGBl. 1919, II S. 1103)
  • 8 Erstes Deutsches Opiumgesetz vom 30. Dezember 1920 (RGBl. 1921, I S. 2)
  • 9 Vgl.: S. Scheerer: Die Genese der Betäubungsmittelgesetze in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden, Göttingen 1982, S. 48 f.
  • 10 Änderungsgesetz zum Opiumgesetz vom 21. März 1924 (RGBl. 1924, I S. 290)