Vom Opiumgesetz zum BtMG

Bis zur Mitte der sechziger Jahre war Drogenpolitik im Verhältnis zu anderen Politikfeldern ein äußerst kleiner und gesellschaftlich kaum beachteter Bereich. Wohl vor allem auf Grund der geringen Zahl sozial auffälliger Drogenkonsumenten blieb das Opiumgesetz weithin papierenes Recht ohne akute Verfolgungsrealität.1 Entsprechend niedrig war die Zahl der wegen des Opiumgesetzes Verurteilten Personen. Anfang der Sechziger lag diese zwischen 100 und 150 pro Jahr. Das heißt zwei bis drei Verurteilungen pro Woche in der ganzen Bundesrepublik Deutschland.2

Bei der Gesamtbetrachtung der historischen Entwicklung vom Opiumgesetz zum Betäubungsmittelgesetz ist zu beachten, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht frei ist, welche Ziele sie im Bereich der Drogenpolitik verfolgen will. Sie ist vielmehr durch eine Reihe von Übereinkommen im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) gebunden. Es handelt sich hierbei um das Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe3 in der Fassung des Protokolls vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (sogenannte Single-Convention)4 und um das Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe.5

Vor dem Hintergrund dieser internationalen Entwicklung änderte sich der Stellenwert der Drogen- und speziell der Cannabispolitik Ende der sechziger Jahre. Dies geschah unter dem Eindruck des vor allem dem in den USA wahrgenommenen „Jugend-Drogen-Problems„. Auch in Deutschland vermittelte die Presse nach dem reißerischen Vorbild in den Vereinigten Staaten den Eindruck einer gewaltigen „Haschisch- und Drogenwelle„, die das Land zu überrollen drohe.
Zur Dramatisierung vermeintlicher „sozialer Probleme“ wurden Drogen mit der von Studenten getragenen Protestbewegung, die sich während der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD von 1966 bis 1969 als „Außerparlamentarische Opposition (APO)“ formiert hatte, in Verbindung gebracht.6

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) im Dezember 1971 das Opiumgesetz, das vor allem die verwaltungsmäßige Kontrolle der medizinischen Versorgung der Bevölkerung regelte, durch ein neues „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz, BtMG)“ ersetzt.
Dem neuen Gesetz liegt eine differenzierte Klassifizierung von Tatmerkmalen zugrunde, so dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedem Tätertypus eine Sanktionsstufe zugeordnet werden kann, wobei die Höchststrafe von drei auf zehn Jahre heraufgesetzt wurde. Das BtMG wurde am 22. Dezember 1971 verkündet, am 24. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und am 25. Dezember 1971 in Kraft gesetzt. Nach einigen redaktionellen Änderungen wurde es am 10. Januar 1972 neu bekannt gemacht.7

Der Gesetzgeber (Legislative) ermächtigte in § 1 Abs. 2 bis 6 BtMG die Bundesregierung (Exekutive) durch Rechtsverordnung weitere Stoffe den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zu unterstellen. Diese Ermächtigungsgrundlage der Bundesregierung ist nach Ansicht diverser namhafter Juristen nicht mit dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes (GG) vereinbar, da das BtMG nicht nur Ordnungswidrigkeiten und Vergehen, sondern auch Straftaten (unter anderem kriminelle Handlungen) mit Strafe bedroht. Die Tatsache, dass nicht nur der Gesetzgeber, sondern ein Verordnungsgeber der Exekutive Straftatbestände schaffen kann, die mit hohen Freiheitsstrafen (seit dem 25. Dezember 1971 bis zu zehn Jahren, seit dem 1. Januar 1982 sogar Höchststrafen bis zu 15 Jahren)8 geahndet werden können, hat in den vergangenen Jahren immer wieder heftige und kontroverse Debatten im Kreise der Verfassungs- und Strafjuristen ausgelöst, da einerseits Grundrechtsbegrenzungen nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebotes erfolgen dürfen und anderseits die strafbewehrte Drogenprohibition kaum geeignet scheint, das gesetzgeberische Ziel (Verfügbarkeit der in den Anlagen aufgeführten Stoffe zu unterbinden) zu erreichen.

Bei der Novellierung des BtMG hat der Gesetzgeber 1981 eine Akzentverschiebung vorgenommen. Gemäß Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681) wurde neben drastischen Strafverschärfungen in den §§ 29 a, 30, 30 a und 30 b für „schwere Rauschgiftkriminalität„, die am 1. Januar 1982 in Kraft traten, die sozialtherapeutische Rehabilitation für abhängige Straftäter stärker in den Vordergrund gerückt.


  • 1S. Quensel: Drogenelend. Cannabis, Heroin, Methadon. Für eine neue Drogenpolitik, Frankfurt 1982, S. 77
  • 2H. Ellinger: Betäubungsmittel und Strafbarkeit, in: Schriftenreihe des Bundeskriminalamtes 1974/1-3, S. 26 ff.
  • 3Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe (BGBl. 1973, II S. 1353)
  • 4Protokoll vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe, sogenannte Single-Convention (BGBl. 1975, II S. 2; BGBl. = Bundesgesetzblatt)
  • 5Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976, II S. 1477)
  • 6V. Schmidt: Alte Politik gegen neue Drogen ? Deutungsmuster in der drogenpolitischen Debatte – die Beispiele Cannabis und Ecstasy . Eine Inhaltsanalyse der bundesdeutschen Tages- und Wochenpresse 1967-1972 und 1992-1997, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra Atrium der Universität Hamburg, Hamburg 1998, S. 21
  • 7Das neue Gesetz wurde am 22. Dezember 1971 verkündet, am 24. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt (IS. 2092) veröffentlicht und am 25. Dezember 1971 in Kraft gesetzt. Nach einigen redaktionellen Änderungen wurde das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln am 10. Januar 1972 neu bekannt gemacht (BGBl. I. S. 1).
  • 8Bei der Novellierung des BtMG hat der Gesetzgeber 1981 eine Akzentverschiebung vorgenommen. Im BtMG gemäß Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681) wurde neben den drastischen Strafverschärfung in den § 29 a, 30, 30 a und b für „schwere Rauschgiftkriminalität“, die am 1. Januar 1982 in Kraft traten, die sozialtherapeutische Rehabilitation für abhängige Straftäter stärker in den Vordergrund gerückt.