Rechtssprechung auf Basis der Drogenlüge

Im November 1969 legte der Münchner Rechtsanwalt Hermann Messmer Verfassungsbeschwerde gegen das Cannabisverbot ein, die er mit der „erwiesenen Ungefährlichkeit“ der Droge und der dadurch im Vergleich zur Alkohol „willkürlichen Aufnahme“ ins Opiumgesetz begründete. Vorausgegangen war ein Urteil des Bayerischen Obersten Landgerichts vom 27. August 1969, das die Strafbarkeit des Erwerbs von Cannabis als verfassungskonform ansah (RReg. 4a St 81/69). In seiner Begründung stützte sich das Gericht auf einen Tagungsbericht der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen, der Cannabis als eine suchterzeugende Substanz beschrieb, die „erhebliche Probleme für die Volksgesundheit darstellt“. Das Bundesverfassungsgericht schloss sich dieser Auffassung an und lehnte die Beschwerde Messmers am 17. Dezember 1969 ab, obwohl diverse groß angelegte Studien ein genau gegenteiliges Ergebnis betreffend die Gefährlichkeit von Cannabis erbrachten. Das Bundesverfassungsgericht stützte sich lieber auf die Propaganda der Suchtstoffkommission als auf wissenschaftliche Studien.

Im Jahre 1994 musste das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland aufgrund verschiedener Vorlagebeschlüsse über die Verfassungsmäßigkeit des Cannabisverbots entscheiden (BVerfGE 90, 145 – Cannabis; 9. März 1994). Das oberste deutsche Gericht entschied zwar, dass das Cannabisverbot durch den Ermessensspielraum gedeckt sei, den das Grundgesetz dem Gesetzgeber einräumt, beschränkte jedoch gleichzeitig die Sanktionen, die bei der Durchsetzung des Gesetzes eingesetzt werden dürfen, und verpflichtete die Bundesländer zur effektiven Angleichung der Strafverfolgungspraxis. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Ausland zu berücksichtigen, um in Zukunft zu entscheiden, ob das Strafrecht tatsächlich das geeignetste Mittel sei, um die angestrebten Schutzfunktionen zu erreichen. Bei seiner Entscheidung berücksichtigte das Gericht jedoch nicht die gegebenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere nicht die betreffend des üblichen Umgangs mit psychotrop wirkenden Cannabisprodukten.

Im Folgenden einige Auszüge aus der Entscheidung der Karlsruher Richter:

Der Gleichheitssatz gebietet nicht, alle potenziell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. (…) Für die unterschiedliche Behandlung von Cannabisprodukten und Alkohol sind ebenfalls gewichtige Gründe vorhanden. So ist zwar anerkannt, dass der Missbrauch von Alkohol Gefahren sowohl für den Einzelnen wie auch die Gemeinschaft mit sich bringt, die denen des Konsums von Cannabisprodukten gleichkommen oder sie sogar übertreffen. Gleichwohl ist zu beachten, dass Alkohol eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten hat, denen auf Seiten der rauscherzeugenden Bestandteile und Produkte der Cannabispflanze nichts Vergleichbares gegenübersteht. Alkoholhaltige Substanzen dienen als Lebens- und Genussmittel; in Form von Wein werden sie auch im religiösen Kult verwandt. In allen Fällen dominiert eine Verwendung des Alkohols, die nicht zu Rauschzuständen führt; seine berauschende Wirkung ist allgemein bekannt und wird durch soziale Kontrolle überwiegend vermieden. Demgegenüber steht beim Konsum von Cannabisprodukten typischerweise die Erzielung einer berauschenden Wirkung im Vordergrund.

Weiterhin sieht sich der Gesetzgeber auch vor die Situation gestellt, dass er den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden kann. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebietet nicht, deswegen auf das Verbot des Rauschmittels Cannabis zu verzichten.

Manche Formulierungen des Gerichtes erscheinen mehr als absurd: „In allen Fällen dominiert eine Verwendung des Alkohols, die nicht zu Rauschzuständen führt …“ Hier wird besonders deutlich, dass die Richter seinerzeit mehr als realitätsfremd waren, man denke nur an das „Koma-Saufen“ vieler Jugendlicher oder an den Bierkomment der Farben tragenden Studentenverbindungen. Der Bierkomment beinhaltet alte überlieferte oder durch langjährige Gewohnheit gültige Regeln in Bierangelegenheiten beim studentischen Saufen, wobei auch andere Alkoholika als kommentgemäße Stoffe akzeptiert werden. Problematisch hierbei ist, dass mit dem Bierkomment auch stellenweise ein Trinkzwang von Alkoholika einhergeht. Diese studentischen Sauftraditionen hätten dem Gericht bekannt sein müssen, da diese schon öfters Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen waren.

Völlig verkannt hat das Gericht die Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten, die psychotrop wirkende Cannabisprodukte haben. Sie dienen als Lebens- und Genussmittel in Form von Gewürzen, Backwaren und Bier. In Form von Haschisch und Gras werden sie auch im religiösen Kult verwendet. Zudem hätte sich auch damals schon der Gesetzgeber vor die Situation gestellt sehen müssen, dass er den Genuss von Cannabis wegen der herkömmlichen weit verbreiteten Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden kann. Die Schätzungen über die damalige Konsumentenzahl in Deutschland schwankten nach Harald Körner (BtMG, Einleitung) zwischen drei bis vier Millionen, was etwa vier bis fünf Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands entsprach. Dabei handelte es sich jedoch überwiegend um Gelegenheitskonsumenten.