Seit Jahrzehnten appellieren die unterschiedlichsten Organisation an die Bundesregierung, die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten zu beenden. Dies war bisher jedoch nicht von Erfolg gekrönt – ganz im Gegenteil, noch nie war die Zahl der registrierten Betäubungsmitteldelikte so hoch wie im Jahr 2017. Im Jahr 2017 lag diese bei 330.580, davon betrafen 203.389 allein Delikte im Zusammenhang mit Cannabis, wobei hier der Anteil der auf den Konsum bezogenen Delikte über 80 Prozent betrug.
Die Berliner Deklaration kann hier heruntergeladen und mitgezeichnet werden. Reicht sie gerne im Freundeskreis herum! Nach dem Ausfüllen bitte als Brief, Fax oder Scan an die Drogenbeauftragte der Bundesregierung senden. Die aktuellen Kontaktdaten der Drogenbeauftragten findest du auf ihrer Webseite drogenbeauftragte.de.
Wir, die Anwesenden der Hanfparade am 11. August 2018 und andere an der Thematik Interessierte erklären hiermit unter dem Motto Aufklärung statt Verbote
Drogenkontrollen – ausgenommen im Straßenverkehr oder bei bestimmten beruflichen Anforderungen – sind irrationale Akte sozialer Kontrolle ohne generalpräventive Wirkung, die grundlegende Menschenrechte verletzen. Drogenprobleme lassen sich nicht strafrechtlich, sondern nur mit wissenschaftlich fundierter Aufklärung und durch kulturelle Integration lösen. Aufklärung zu Erlangung von Drogenkompetenz, Drogenmündigkeit und Drogenautonomie (das Gegenteil von Drogenabhängigkeit) ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Der Staat darf die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen. Es ist deshalb notwendig, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik ideologiefrei wissenschaftlich zu überprüfen. Das kann nach unserer Auffassung nur dazu führen, die Drogenprohibition aufzugeben und legale Bezugswege zu schaffen.
Wir wissen
dass die religiöse, rituelle, hedonistische und medizinische Nutzung natürlicher Drogen wie z.B. Cannabis, Zauberpilze und Peyote die Menschheit von Urbeginn an begleiten;
dass der Gebrauch dieser und diverser synthetischer Substanzen wie zum Beispiel LSD, MDMA oder Methylon nicht pauschal illegalisiert gehört, da er für viele Menschen zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit dient;
dass die repressive Politik der vergangenen Jahre und die von ihr erzeugten Marktmechanismen mehr individuelle und gesellschaftliche Schäden bewirken, als dies Drogen je könnten;
dass Streckmittel und Verunreinigungen in Produkten auf dem Schwarzmarkt eine erhebliche zusätzliche Gesundheitsgefährdung darstellen;
dass die derzeitigen Drogenkontrollmaßnahmen als ineffizient und nutzlos zu klassifizieren sind, da sie ein großes Hindernis zur Einführung von neuen Strategien, um das Problem sowohl auf globaler wie auf lokaler Ebene anzugehen, darstellen. Es ist zu befürchten, dass die Verstärkung der aktuellen Politik zu einer Verschlechterung der Drogensituation beiträgt und zunehmend die Glaubwürdigkeit dieser Politik in der breiten Öffentlichkeit im allgemeinen schwindet.
dass der Konsum psychoaktiver Substanzen als ein Handeln wahrgenommen werden kann, dass unter bestimmten Bedingungen in die Lebenswirklichkeit der Menschen integrierbar ist, dort einen berechtigten Platz finden und mit hochgeschätzten Werten der Gesellschaft vereinbar sein kann.
Wir verurteilen
dass eine hohe Anzahl von Menschen zu verfehlten Gefängnisstrafen verurteilt wurden, weil sie durch gewaltlose Drogendelikte ohne Schaden für Dritte gegen die Verbotsgesetze des BtMG verstoßen haben;
dass die Herstellung von und der Handel mit illegalisierten Drogen die wichtigste Profitquelle der europäischen Mafiaorganisationen darstellen und sowohl ihre Möglichkeiten erhöhen, andere zu bestechen als auch, straffrei auszugehen;
dass erhebliche Polizeikräfte durch die Drogenfahndung gebunden werden, die bei der Verfolgung Schwerkrimineller oder der Überwachung von terrorverdächtigen „Gefährdern“ fehlen;
die Tatsache, dass der Deutsche Bundestag sich mehrheitlich gegen eine Evaluierung der Auswirkungen der derzeitigen Drogenpolitik ausgesprochen hat, denn wir sind der Überzeugung, dass die von den Drogen ausgehenden Gefahren unter anderem unter wissenschaftlichen, soziologischen und kulturellen Gesichtspunkten nicht nur durch eine genaue Untersuchung der objektiven und vergleichbaren Daten, sondern auch unter sorgfältiger Beurteilung aller anderen Folgen und Schäden für die Entwicklung der Gesellschaft analysiert werden müssen, um zu verhindern, dass bei der Analyse der zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit Drogen eine zu starke Vereinfachung betrieben wird, und fordern, dass diese Analysen und Beurteilungen veröffentlicht werden.
Wir propagieren nicht
den Konsum von Drogen und wir sind besorgt über das Ausmaß des Drogenmissbrauchs weltweit. Wir sind ebenso besorgt über die zerstörerischen Auswirkungen durch die Verbrechen gewalttätiger Drogengangs und Kartelle auf der ganzen Welt. Keines dieser Probleme wird durch die derzeitige Drogenpolitik gelöst. Tatsächlich blühen Drogenmissbrauch und organisierte Kriminalität auf dem Boden des bestehenden Drogenverbots, ähnlich wie sie es während der Zeit der Alkohol-Prohibition in den USA taten.
Wir bemühen uns
um Aufklärung der Öffentlichkeit, insbesondere von Jugendlichen. Wir wollen realistische und glaubwürdige, weil auf eigenen Erfahrungen und nicht auf veralteten Theorien und staatlicher Propaganda basierende, Informationen über Drogengebrauch, Wirkungen und Risiken verfügbar machen. Keiner politischen Macht steht das moralische Recht zu, den Gebrauch psychoaktiver Substanzen pauschal zu verbieten.
Wir fordern
dass die nationale Drogenpolitik auf wissenschaftlichen Erkenntnissen im Hinblick auf jeden Drogentyp und nicht auf einem emotionalen Impuls basieren muss, da jedes drogenbezogene Problem einen spezifischen Ansatz erfordert, sowie in der Erwägung, dass eine Verallgemeinerung des Ansatzes die Glaubwürdigkeit aller Teilaspekte dieser Politik unterminiert;
die soziale und wissenschaftliche Erforschung illegalisierter Stoffe für einschlägige medizinische und soziale Zwecke zu verstärken;
ein stärkeres Gewicht auf die Aspekte Schadensbegrenzung, Information, Prävention, Behandlung und Berücksichtigung des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Menschen mit Problemen infolge des Konsums von illegalisierten Stoffen zu legen und Maßnahmen zu ermitteln, die die soziale Ausgrenzung der Betroffenen verhindern können, statt repressive Strategien umzusetzen, die an die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte grenzen und häufig zu einer solchen geführt haben;
die notwendigen Informationsinitiativen zu verstärken und für ihre angemessene Finanzierung zu sorgen, um über illegalisierte Stoffe aufzuklären und dem Drogenkonsum vor allem an Schulen vorzubeugen, und um die negativen Auswirkungen des Drogenkonsums und die damit zusammenhängenden Gefahren einzuschränken;
Nachdruck auf verstärkte Aufklärungsmaßnahmen zu legen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Folgen des Konsums der verschiedenen Arten von Drogen (insbesondere synthetischen) basieren müssen, um jedermann klar und unmissverständlich warnen zu können;
die Beteiligung und Einbeziehung der Drogenabhängigen und Konsumenten und von Freiwilligendiensten sowie der Öffentlichkeit bei der Lösung der drogenbedingten Probleme festzulegen und erheblich zu verstärken;
die Forschung im Bereich der Verwendung von Pflanzen, deren Anbau gegenwärtig illegalisiert ist oder sich in einer Grauzone befindet, etwa Hanf, Opium oder Kokablätter, im Hinblick auf medizinische Anwendungen, Lebensmittelsicherheit, nachhaltige Landwirtschaft, Erzeugung alternativer Energie, Ersetzung holz- oder ölbasierter Produkte oder im Hinblick auf sonstige nützliche Zwecke zu verstärken;
die Abschaffung des bestehenden Drogenverbots und die Einführung einer neuen Politik der Kontrolle und Regulierung von derzeit illegalisierten Drogen;
dass die Bundesländer – wie derzeit bei den Drogenkonsumräumen (Fixerstuben) – die gesetzgeberische Freiheit erhalten sollten, um verschiedene Modelle auszuprobieren, die eine gute Balance zwischen der Selbstbestimmung des Einzelnen über seinen Körper und der Notwendigkeit einer vernünftigen Regulierung herstellen, um Todesfälle, Krankheiten, Abhängigkeit und sonstige Schäden vorzubeugen;
dass nach dem Ende des Drogenverbotes alle Menschen, die aufgrund von Strafvorschriften im BtMG verurteilt wurden und keinem Dritten dabei einen Schaden zugefügt haben, umgehend entlassen, ihre Eintragung im Strafregister aufgehoben und ihre Bürgerrechte wieder hergestellt würden.
Wir befürworten
für jeden erwachsenen und kompetenten Menschen die freie Wahl der psychoaktiven Substanzen zur Erforschung eigener, nicht-alltäglicher Bewusstseinszustände. Dafür muss die Voraussetzung geschaffen werden, dass umfassende fachkundige Orientierungshilfen statt pauschaler Verteufelung angeboten werden.
Die umgehende Amnestie von Opfern des Drogenkriegs;
nationale und internationale Abkommen, die einer Entkriminalisierung entgegenstehen, zu überdenken und neu zu formulieren;
das Ende des Drogenkrieges.
Wir hoffen auf Frieden.
Quellenverzeichnis
In diesen Text sind Begriffe und Passagen von folgenden Dokumenten eingeflossen:
Der Begriff der Gerechtigkeit bezeichnet einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt.
Das BtMG ist eine Rechtsnorm, die bestimmte Gruppierungen der Gesellschaft diskriminiert (z.B. Hachischliebhaber) und andere bevorzugt (z.B. Weinliebhaber). Das BtMG in seiner heutigen Form kann deshalb nicht in Einklang mit den Grundprinzipien der Gerechtigkeit gebracht werden, weil es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen zwischen beteiligten Personen oder Gruppen nicht zulässt.
Recht und Gerechtigkeit
Das Recht ist die verbindliche Ordnung des allgemein akzeptierten Verhaltens innerhalb einer Gruppe (Staates). Das Recht ordnet menschliche Beziehungen, insbesondere das Verhalten des Individuums gegenüber der Gruppe und sorgt so für Gerechtigkeit innerhalb der Gruppe. Der Genuss von psychotropen Substanzen wie Cannabis betrifft nur den Konsumenten selbst, er untersteht somit nur individualethischen Regeln und entzieht sich folglich als „Verhalten des Einzelnen“ dem Recht als „Regelung menschlicher Beziehungen“. Jeder muss in seiner Art genießen können und niemand darf, solange der Genuss nicht auf Kosten oder zu Lasten anderer erfolgt, ihn in seinem eigentümlichen Genuss stören! Dies ist ein Grundprinzip der Menschen- und Bürgerrechte.
Die Begrenzung des Rechts auf die Regelung der Beziehungen zu anderen Menschen zeigt sich u.a. im wesentlichen Grundsatz des heutigen Strafrechts – dem der Fremdgefährung. Nur ein Verhalten, das die Rechtsgüter anderer Menschen oder einer ganzen Gruppe unmittelbar beeinträchtigen könnte, kann strafwürdig sein. Die gesetzgebende Gewalt darf deshalb keine Gesetze erlassen, welche die Ausübung der Menschen- und Bürgerrechte unzulässig beeinträchtigen oder hindern. Die Rechtsnorm BtMG läuft dem durch die nicht auf wissenschaftlichen Kriterien basierenden Klassifizierung von Straftatbeständen zuwider und kann somit nicht als gerechte Norm bezeichnet werden.
Das BtMG verstößt in gravierender Weise gegen das Verbot der „Strafbarkeit lediglich selbstschädigenden Verhaltens“. Der Genuss psychotroper Substanzen wie Cannabis und alle Vorbereitungshandlungen (Anbau, Erwerb und Besitz) beeinträchtigen die Rechtsgüter anderer Menschen nicht und können aus ethischer Sicht somit auch nicht strafbewehrt sein.
UNO-Drogenkonventionen unterminieren Freiheit und Gerechtigkeit
Das BtMG dient nicht der Gerechtigkeit. Das Gleiche gilt für die internationalen UNO-Konventionen zur Drogenkontrolle von 1961 (Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel), 1971 (Konvention über psychotrope Substanzen) und 1988 (Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen).
Bei genauer Betrachtung der Auswirkungen dieser Verträge ist festzustellen, dass immer mehr Menschen von den wachsenden Nebenwirkungen des illegalen Drogenhandels sowie der Politik, welche diesen zu kontrollieren versucht, betroffen sind. Die globale Entwicklung zeigt, dass der von den Vereinten Nationen eingeschlagene Weg zur Drogenkontrolle gescheitert ist. Statt Freiheit, Gesundheit und Gerechtigkeit begünstigen die nationalen und internationalen Maßnahmen zur Drogenkontrolle Korruption, Kriminalität, Krieg, Zwietracht, Verelendung und Not. Die Glaubwürdigkeit dieser Politik in der breiten Öffentlichkeit schwindet zusehends.
Die „Drogenkontrollmaßnahmen“ der UNO sind als ineffizient und nutzlos zu klassifizieren. Schlimmer noch, sie sind ein großes Hindernis bei der Einführung neuer Strategien, das Problem auf globaler wie auf lokaler Ebene anzugehen. Ein Festhalten an der aktuellen Politik der Verbote wird die Drogensituation weiter verschlechtern. Drogenkonsum ist nicht grundsätzlich ein Problem, dem entgegengewirkt werden muss, sondern der Konsum psychotrop wirkender Substanzen ist als Phänomen wahrzunehmen, das unter bestimmten Voraussetzungen in die Lebenswirklichkeiten der Menschen integrierbar ist und dort einen berechtigten Platz haben kann. Voraussetzungen hierfür sind „Drogenkompetenz“, als Basis eines autonom kontrollierten, sozial integrierten und vor allem genussorientierten Konsums, sowie „Drogenmündigkeit“, als Ausgangspunkt von Wert- und Handlungskriterien zur Partizipation von Drogenkonsumenten am Kultur- und Gesellschaftsleben.
Drogenpolitik muss sich den Prinzipien einer guten Regierungsführung unterordnen, wie sie in den universalen Menschenrechtserklärungen, in der Konvention über Biodiversität und in anderen internationalen Abkommen zugrunde gelegt sind. Insbesondere sind die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte sowie das Recht auf kulturelle Vielfalt für alle Individuen zu garantieren.
Die Hanfparade fordert deshalb von den Vereinten Nationen, das Politikfeld „Drogenkontrolle“ respektive „Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Suchtstoffkommission (CND) zu entziehen und der Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) anzuvertrauen. Dies würde zu mehr Freiheit, Gesundheit und Gerechtigkeit auf der Welt führen.
Der Freiheitsbegriff, der dem heutigen Verständnis zugrunde liegt, wurde im Zeitalter der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert entwickelt. Die Berufung auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz gilt als zentrales Element der Aufklärung. Erst die Zugrundelegung allgemeiner Menschenrechte garantierte bürgerliche Freiheiten.
Der englische Philosoph und Vordenker der Aufklärung John Locke erklärte in dem Werk „Two Treatises of Government“ (1690) den Naturzustand für den „Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes seine Handlungen zu lenken und über seinen Besitz und seine Person zu verfügen, wie es einem am besten scheint – ohne jemandes Erlaubnis einzuholen und ohne von dem Willen eines anderen abhängig zu sein.„
Der Franzose Voltaire prägte mit seinem Ausspruch das Prinzip der Meinungsfreiheit:
„Ich bin nicht Eurer Meinung, aber ich werde darum kämpfen, dass Ihr Euch ausdrücken könnt.„
Nach dem kantschen Freiheitsbegriff ist Freiheit nur durch Vernunft möglich. Ohne Vernunft folgt der Mensch einem Tier gleich seinen Trieben. Kraft der Vernunft aber ist der Mensch in der Lage, das Gute zu erkennen und sein eigenes Verhalten dementsprechend pflichtgemäß auszurichten. Da nach Kant nur der sich bewusst pflichtgemäß, also moralisch verhaltende Mensch frei ist, sind „freies Handeln“ und „moralisches Handeln“ bei Kant ebenso Synonyme wie der freie Wille und der gute Wille.
„Niemand kann mich zwingen, auf seine Art (wie er sich das Wohlsein anderer Menschen denkt) glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege suchen, welcher ihm selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit Anderer, einem gleichem Zwecke nachzustreben, die mit der Freiheit von jedermann nach einem möglichen allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, (das ist diesem Rechte des Andern) nicht Abbruch tut.„
In seiner bekanntesten Schrift „On Liberty“ (dt.: „Über die Freiheit„) setzt der britische Philosoph und Nationalökonom John Stuart Mill das Limit, „dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten.„
Menschenrechte und Freiheit
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 enthält eine Präambel und 17 Artikel, welche die grundlegenden Bestimmungen über den Menschen, seine Rechte und den Staat festschreiben. Darin wird erklärt, dass es natürliche und unveräußerliche Rechte wie Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung geben muss. Alle Menschen müssen als gleich gelten, besonders vor dem Gesetz und dem Recht. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 gehört zu den Grundlagen moderner freiheitlich demokratischer Rechtsstaaten. So heißt es in Artikel IV:
„Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat also nur die Grenzen, die den anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss ebendieser Rechte sichern. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden.“
Und in Artikel V heißt es:
„Das Gesetz darf nur solche Handlungen verbieten, die der Gesellschaft schaden. […]“
Der Genuss psychotrop wirkender Substanzen (sprich: die Seele bewegend) wie Cannabis beeinträchtigt die Rechtsgüter anderer Menschen nicht und darf deshalb aus ethischer Sicht auch nicht strafbewehrt sein. Dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie der Anbau, Erwerb und Besitz. Jeder muss auf seine Art genießen können. Und niemand darf, solange der Genuss nicht auf Kosten oder zu Lasten anderer erfolgt, ihn in seinem eigentümlichen Genuss stören.
Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) hingegen verstößt in gravierender Weise gegen dieses Grundprinzip der Menschen- und Bürgerrechte, die jedem die Freiheit einräumen, all das zu tun, was keinem anderen schadet.
Gesetzesänderungen gegen Freiheitsrechte
Negative Freiheit (Freiheit von etwas) bezeichnet einen Zustand, in dem keine von anderen Menschen ausgehenden Zwänge ein Verhalten erschweren oder verhindern.
Positive Freiheit (Freiheit zu etwas) bezeichnet einen Zustand, in dem die Möglichkeit der passiven Freiheit auch tatsächlich genutzt werden kann oder nach noch weitergehender Auffassung einen Zustand, in dem die Möglichkeit tatsächlich genutzt wird.
Ein Beispiel für negative Freiheit ist die Möglichkeit, in Ruhe und Frieden sein Gras rauchen oder seine Haschischkuchen backen zu können, ohne dabei von Polizisten gestört oder verfolgt zu werden. Auch seine Meinung bezüglich verschiedener Haschischsorten frei äußern zu dürfen, ist ein Beispiel negativer Freiheit. Beides ist derzeit nicht möglich, da die geltenden Gesetze diese Freiheiten einschränken, obwohl keine Drittpersonen durch die Ausübung dieser Freiheiten eingeschränkt würden. Im Sinne der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sind solche Gesetze unzulässig. Deshalb setzt sich die Hanfparade für eine die Freiheit respektierende Änderung der Gesetze ein.
Wahre positive Freiheit würde im erstgenannten Beispiel bedeuten, dass es auch erlaubt sein muss, sein Marihuana selbst anzubauen oder auch bei einem Händler zu erwerben. Im zweiten Beispiel darf die Freiheit nicht beim Zugang zu Informationen enden, den Quellen darf auch keinerlei Repression wegen vermeintlicher „Drogen-Empfehlungen“ drohen.
Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) stellt die Vorbereitungshandlungen (Anbau, Erwerb, Besitz) für den Genuss bestimmter psychotroper Substanzen unter Strafe (Strafwürdig ist der Umgang mit in den Anlagen I bis III zu § 1 BtMG aufgeführten Substanzen). Für die Vorbereitungshandlungen zum Genuss anderer psychotroper Substanzen sieht das BtMG hingegen keine Strafe vor. Cannabisprodukte sind in den Anlagen aufgeführt und somit ist der Umgang mit ihnen von Strafe bedroht. Die Wissenschaft ist sich jedoch sicher, dass der Umgang mit Haschisch und Marihuana weniger schädlich ist als beispielsweise der Umgang mit Alkohol, der straffrei ist. Die im gesetzten Recht festgelegte Liste der „verbotenen Stoffe“ kann deshalb nur als willkürlich bezeichnet werden. Sie ist nicht gerecht (unerträglich ungerecht). Sie ist „unrichtiges Recht„.
Deshalb setzt sich die Hanfparade für eine die Freiheit respektierende Änderung des BtMG, respektive die Abschaffung der derzeitigen fundamentalistischen (nicht auf Vernunft basierenden und repressiven Drogenpolitik ein.
Die Hanfparade ist eine Demonstration für die „Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel“. Was wir darunter verstehen, erfährst Du in diesem Teil unserer Website.
Unter „Ziele & Motto“ findest Du Informationen zu vielen Aspekten des deutschen Betäubungsmittelrechts, über unser Verständnis von einer humanistischen Suchtpolitik und eine breite Palette anderer Dokumente zum Mit- und Nachdenken.
Berliner Deklaration
Die Berliner Deklaration aus dem Jahr 2018 ist eine Zusammenstellung unserer Überzeugungen verbunden mit einem Forderungskatalog an die Bundesregierung. Ja, wir sind der Überzeugung, dass Drogenkontrollen – ausgenommen im Straßenverkehr oder bei bestimmten beruflichen Anforderungen – irrationale Akte sozialer Kontrolle ohne generalpräventive Wirkung sind, die grundlegende Menschenrechte verletzen.
Drogenprobleme lassen sich nicht strafrechtlich, sondern nur mit wissenschaftlich fundierter Aufklärung und durch kulturelle Integration lösen. Aufklärung zu Erlangung von Drogenkompetenz, Drogenmündigkeit und Drogenautonomie (das Gegenteil von Drogenabhängigkeit) ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Der Staat darf die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen. Es ist deshalb notwendig, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik ideologiefrei wissenschaftlich zu überprüfen. Das kann nach unserer Auffassung nur dazu führen, die Drogenprohibition aufzugeben und legale Bezugswege zu schaffen, weil wir wissen, dass die derzeitigen Drogenkontrollmaßnahmen als ineffizient und nutzlos zu klassifizieren sind.
Sie sind ein großes Hindernis zur Einführung von neuen Strategien, um das Problem sowohl auf globaler wie auf lokaler Ebene anzugehen, darstellen. Es ist zu befürchten, dass die Verstärkung der aktuellen Politik zu einer Verschlechterung der Drogensituation beiträgt und zunehmend die Glaubwürdigkeit dieser Politik in der breiten Öffentlichkeit im allgemeinen schwindet.
Mit Ausnahme des letzten Abschnittes zum Gesetz betreffend Cannabis als Medizin (BGBl I 2017 S. 403) , das am 10. März 2017 in Kraft trat, zeigt dieser Artikel die Situation auf, wie sie vom OrgaTeam der Hanfparade empfunden wurde, bevor dieses neue Gesetz in Kraft trat. Die ersten Abschnitte des Artikels wurden am 4. Januar 2010 auf der Website der Hanfparade veröffentlicht und zeigen eine Art von historischer Retrospektive. Die Forderung der Legalisierung von Cannabis als Medizin gehörte von Anbeginn an (1997) zu den Hauptforderungen der Hanfparade.
Diese Forderung hat im Jahr 2017 Gehör gefunden und ihr wurde am 10. Februar 2017 im Deutschen Bundestag einstimmig stattgegeben. So dürfen alle Teilnehmer/innen der Hanfparade auch ein wenig stolz sein, weil sie mit Ihrer Anwesenheit diese Forderung mit unterstützt haben und inzwischen Tausende von Patienten die von ihnen benötigte Medikation legal und auf Kosten der Krankenkassen bekommen.
Cannabispflanzen sind ein Heilmittel
Im Jahr 1977 wurde das neue Arzneimittelgesetz (AMG) in Deutschland eingeführt, dass hinsichtlich Wirksamkeitsnachweis und Unbedenklichkeit besondere Anforderungen an neue Medikamente stellt. Alle zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt befindlichen Präparate erhielten eine Übergangsfrist bis zum Jahre 2004. Tausende von synthetischen und natürlichen Präparaten, die sich 1977 auf dem Markt befanden, mussten Nachzulassungsverfahren durchlaufen, um in Deutschland auch nach dem Jahr 2004 weiterhin als Medikament Verwendung zu finden.
Cannabis gehörte nicht dazu, da 1997 keine Cannabispräparate auf dem Markt waren – diese wurden mit dem Betäubungsmittelgesetz von 1971 verboten. Cannabis wird nach dem AMG heute als ein neuartiges Arzneimittel behandelt, obwohl Cannabis kein neuartiges Arzneimittel ist und die Nutzung von Cannabis als Heilmittel seit Jahrtausenden dokumentiert ist. Mit dem heutigen Wissen über das arzneiliche Potential der Hanfpflanze wären die Cannabispräparate 1971 sicherlich nicht verboten worden und Cannabiszubereitungen hätten vermutlich ihre Zulassungen behalten.
Cannabiswirkstoffe als Medizin
Mit der 10. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (10. BtMÄndV), die am 1. Februar 1998 in Kraft getreten ist, wurde Dronabinol (Delta-9-THC) neu in die Anlage III (verschreibungsfähige und verkehrsfähige Stoffe) des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgenommen. Damit war diese rein synthetisch hergestellte stereochemische Form des Cannabiswirkstoffes Delta-9-THC durch Ärzte verschreibbar, obwohl in der Bundesrepublik Deutschland ein entsprechendes Arzneimittel noch nicht zum Verkehr zugelassen ist. Diese neue Regelung ermöglichte jedoch das Verschreiben von ausländischen Präparaten, so beispielsweise das mit diesem Wirkstoff in den USA zugelassene Arzneimittel Marinol®. Cannabis selbst blieb weiterhin in der Anlage I der nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittel. Das Verschreiben pflanzlicher Cannabisprodukte blieb somit weiterhin verboten und um dem Eigenanbau von Cannabis besser entgegenwirken zu können, wurden die Samen der Hanfpflanze (wenn sie zum unerlaubten Anbau bestimmt sind, wobei jeder Anbau erlaubnispflichtig ist) erstmalig mit der 10. BtMÄndV in die Liste der verbotenen Substanzen (Anlage I) aufgenommen. Teure künstlich hergestellte Arzneimittel der Pharmaindustrie wie Marinol® wurden mit der 10. BtMÄndV erlaubt, preiswerte Naturprodukte (mit absolut gleichartigen Inhaltsstoffen) blieben jedoch verboten, ja das Verbot wurde mit derselben Verordnung noch verschärft.
Die Wirkungsweise von Dronabinol ist der von Cannabis sehr ähnlich, es wirkt sedierend (beruhigend), spasmolytisch (krampflösend), appetitsteigernd, antiemetisch (brechreizlindernd), stimmungsaufhellend, schmerzlindernd und verstärkt die schmerzlindernde Wirkung von Opioiden. Daneben hat es auch einen den Augeninnendruck senkenden Effekt. Arzneimittel mit dem Wirkstoff Dronabinol können die Behandlungsmöglichkeiten von Patienten mit Krebs, AIDS, Mobrus Crohn oder auch Multiple Sklerose im Einzelfall wesentlich verbessern. Für diese Patienten brachte die Verschreibungsmöglichkeit von Dronabinol zum Teil eine ganz erhebliche Verbesserung der Lebensqualität. Da jedoch nicht alle Krankenkassen die Kosten für Dronabinol übernehmen, können nicht alle Patienten in den segensreichen Genuss dieses Arzneimittels gelangen und müssen – wenn sie die hohen Kosten nicht bezahlen können – je nach Situation im Einzelfall, weiter leiden.
Erste Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht
Ein paar Patienten wollten diese Art von Zwei-Klassen-Medizin nicht hinnehmen und wollten – um sich Linderung zu verschaffen – Cannabis zur Selbstmedikation anbauen. Da dies in Deutschland nicht erlaubt ist, legten sie gemeinsam gegen dieses ihrer Meinung nach verfassungswidrige Verbot beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde ein.
Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch die Beschwerden in einem Beschluss vom 20. Januar 2000, der am 8. Februar veröffentlicht wurde, nicht zur Entscheidung angenommen, weil der Rechtsweg nicht erschöpft gewesen sei. Das Verfassungsgericht hatte darauf hingewiesen, dass die Patienten versuchen könnten, eine Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG zu erlangen. Sie könnten nicht ohne weiteres davon ausgehen, ein solcher Antrag habe keine Aussicht auf Erfolg. Denn auch die medizinische Versorgung der Bevölkerung sei ein öffentlicher Zweck, der auch im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis rechtfertigen könne. Zwar stehe die Erteilung einer solchen Erlaubnis im Ermessen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte; jedoch haben Antragsteller einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Eine solche Entscheidung sei zudem gerichtlich überprüfbar.
Petitionsausschuss des Bundestages für Cannabis als Medizin
Am 28. Juni 2000 befürwortete der 29-köpfige Petitionsausschuss des Bundestages eine Petition der Selbsthilfegruppe Cannabis als Medizin in Berlin und der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM für die Möglichkeit einer medizinischen Verwendung natürlicher Cannabisprodukte und einzelner Cannabinoide. Damit trat erstmals eine Institution des Bundestages mehrheitlich für eine Abgabe von Cannabisprodukten an Kranke ein.
Mit den Stimmen der Ausschussmitglieder von PDS (Sozialisten), Grünen und SPD (Sozialdemokraten), gegen die Stimmen der CDU/CSU (Christdemokraten) und bei Enthaltung der FDP (Freiheitliche) wurde die Petition an die Bundesregierung „zur Berücksichtigung überwiesen„, weil das vorgebrachte Anliegen begründet und Abhilfe notwendig sei. Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass Cannabis vielen Erkrankten hilft, „ihre Erkrankungen zu heilen bzw. zu lindern und ihr Leben wieder lebenswert zu gestalten„.
Sytematische Ablehnung von Anträgen
Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 20. Januar 2000 reichten über 100 Patienten einen Antrag für eine Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein. In den Anträgen wurde auf den Zweck des BtMG hingewiesen: „… Zweck dieses Gesetzes [ist ] die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen …“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG). Die Anträge wurden teilweise unter Mitwirkung von Ärzten, Pharmazeuten und Juristen verfasst und widerspiegeln einem hohen Stand der Kenntnis aus der medizinischen Wissenschaft wie auch aus dem Rechtswesen.
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis (als Arzneimittel) ist ordnungsgemäß nach Ansicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nur möglich, wenn die derzeit gültigen arzneimittelrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Danach müssen reproduzierbare Qualität (konstanter Wirkstoffgehalt), Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der eingesetzten Arzneimittel wissenschaftlich nachgewiesen und regelmäßig überprüft werden. Da bei Cannabis, das von den Patienten selbst angebaut wird, diese Vorgaben nicht erfüllt werden, hat das Bundesinstitut die Anwendung von derartigen ungeprüften Produkten für arzneiliche Zwecke nicht erlaubt und alle von den Patienten eingereichten Anträge für eine Erlaubnis abgelehnt.
Gerichte erlauben Anbau von Cannabis
Obwohl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bisher alle eingereichten Anträge für eine Erlaubnis zur Kultivierung von Cannabis zum Zweck der Selbstmedikation abgelehnt hat, erlaubte am 27. November 2003 ein Gericht in Berlin einem Kranken den Anbau und die Verwendung von Cannabis als Arzneimittel, da das Gericht aufgrund der ärztlichen Gutachten keine gleichwertige Alternative zur Behandlung seiner Krankheit sehen konnte. Das Gericht kam zur Überzeugung und urteilte, dass sich der angeklagte Patient in einer Notstandslage befunden habe und die medizinische Verwendung von Cannabis daher gerechtfertigt gewesen sei. Da kein anderes Medikament bei dem Patient eine so hohe therapeutische Wirkung erzielt wie Cannabis, erhielt dieser Patient, der an einer entzündlichen Erkrankung des Darms (Morbus Crohn) leidet, eine richterliche Erlaubnis zum Anbau und zu Verwendung von Cannabis. Der Staatsanwalt verzichtete darauf, Berufung einzulegen. Damit ist das Urteil rechtskräftig und zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren darf ein Patient in Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken selbst anbauen und zum Wohl seiner Gesundheit konsumieren (AZ: 1 Ss 273/02).
Am 15. Mai 2003 wurde erstmals ein Patient, der Cannabis in seiner Wohnung anbaute und dann zu medizinischen Zwecken konsumierte und deswegen angeklagt war, von einem deutschen Gericht freigesprochen. Richter Bauer vom Amtsgericht Mannheim erklärte nach Anhörung zweier medizinischer Sachverständiger, es habe eine Notstandslage vorgelegen. Die Verwendung von Cannabis sei daher unter den konkreten Umständen gerechtfertigt gewesen. Der Patient hatte vergeblich versucht, für eine Behandlung mit dem Cannabiswirkstoff Dronabinol (Delta-9-THC) eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft hatte Berufung gegen diesen Freispruch eingelegt. Der Berufung wurde am Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe am 24. Juni 2004 stattgegeben (AZ: 3 Ss 187/03).
Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM), konstatiert, dass in Deutschland zwar Dronabinol verschreibungsfähig sei und demnächst auch ein Cannabisextrakt verschreibungsfähig werden soll. Ohne eine Verpflichtung der Krankenkassen zur Übernahme der Behandlungskosten seien viele Patienten jedoch weiterhin auf die viel preiswerteren illegalen Cannabisprodukte angewiesen und somit auch weiterhin von Strafverfolgung bedroht. Damit diesen Patienten in Zukunft generell eine bessere Perspektive als heute geboten werden kann, muss in erster Linie das Betäubungsmittelgesetz geändert und der gegebenen Situation angepasst werden. Die Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin stellte hierzu den Vorschlag zur Aufnahme eines neuen Paragraphen in das Betäubungsmittelgesetz zur Diskussion, der sowohl Staatsanwälten als auch Richtern die Einstellung von Strafverfahren bei medizinischer Verwendung von Cannabis u.a. aus eigener Produktion ermöglichen soll. Dieser neue Paragraph 31b würde das Vorliegen einer ärztlichen Empfehlung als Bedingung für Straffreiheit enthalten.
Kölner Verwaltungsgericht entscheidet gegen Patienten
Das Kölner Verwaltungsgericht hat am 3. März 2004 die Klagen von 5 Patienten mit multipler Sklerose, Morbus Crohn und HIV abgewiesen, die eine Ausnahmeerlaubnis zur medizinischen Verwendung von Cannabis erhalten wollten, wie dies beispielsweise in Kanada möglich ist.
In Deutschland ist die Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn für Ausnahmeregelungen für Betäubungsmittel zuständig. Anträge sollen nach dem deutschen Gesetz aber nur genehmigt werden, wenn dies „wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“ dient. Viele Kranke haben aber dennoch in den letzten Jahren solche Anträge gestellt, da das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2000 darauf hingewiesen hatte, dass die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung auch im öffentlichen Interesse liege. Allerdings wurden sämtliche Anträge abgelehnt.
Fünf der Betroffenen haben daraufhin vor dem Verwaltungsgericht in Köln gegen diese Ablehnung geklagt und nun verloren. Das Gericht wies darauf hin, dass die Betroffenen Dronabinol (THC) verwenden könnten, um ihre Erkrankungen zu behandeln. Allerdings hatten die Krankenkassen eine Kostenübernahme für das Medikament bei diesen Patienten abgelehnt, während andere Kassen die Kosten durchaus erstatten.
Bundesverwaltungsgericht entscheidet zugunsten der Patienten
Am 19. Mai 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) im öffentlichen Interesse liegen kann, sofern sie der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung dient. Diese kann im Einzelfall auch den Einsatz von (nicht verschreibungsfähigen) Betäubungsmitteln zur individuellen therapeutischen Anwendung umfassen. Das für die Erteilung der erforderlichen Ausnahmegenehmigungen nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bezieht seine Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung unter Berücksichtigung der spezifischen therapeutischen Anwendung immer auf den konkreten jeweiligen Einzelfall.
Der Vertreter des Bundes beim Bundesverwaltungsgericht beteiligte sich am Verfahren. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit hielt er die Revision für unbegründet. Er teilte insbesondere die Auffassung des Verwaltungsgerichtes Köln, dass die Nutzung von Cannabis zum Zweck der Selbsttherapie keinen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erfülle, sondern ausschließlich dem individuellen Interesse des Klägers diene. Diese Auffassung teilte das Bundesverwaltungsgericht nicht, sondern betonte, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung auch ein öffentlicher Zweck sei, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis rechtfertigen könne. Das BtMG nenne die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung neben der Verhinderung des Betäubungsmittelmissbrauchs als Gesetzeszweck, deshalb dürfe das BfArM die Anträge nicht pauschal ablehnen (BverwG 3 C 17.04).
Das BfArM blockiert weiter
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat den Antragstellern auf eine Erlaubnis zur Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken am 5. Juli 2006 ein gleich lautendes Schreiben geschickt, in dem das Institut um weitere Angaben und Unterlagen bittet. Unter Verweis auf Paragraphen des Betäubungsmittelgesetzes werden von den Patienten Voraussetzungen erwartet, wie sie allenfalls von Apotheken oder pharmazeutischen Unternehmen erfüllt werden können.
So wird eine Aufbewahrung des Cannabis in Panzerschränken oder Räumen aus Stahlbeton und ein Nachweis über eine Sachkenntnis im Umgang mit Betäubungsmitteln verlangt. Sofern beabsichtigt sei, Cannabis zu importieren, so weist das BfArM darauf hin, dass für jede einzelne Einfuhr eine separate Importgenehmigung erforderlich sei.
Erste Erlaubnis des BfArM
Mit einem Schreiben vom 9. August 2007 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), einer Multiple-Sklerose-Patientin erstmals eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung eines Cannabisextraktes erteilt. Die 51-jährige Patientin aus Baden-Württemberg hatte eine Ausnahmegenehmigung zum Import von Cannabis aus den Niederlanden beantragt, die Behörde hatte ihr jedoch die Verwendung eines Cannabisextraktes, der ab Ende August von pharmazeutischen Firmen aus Deutschland bereitgestellt werde, vorgeschlagen, obwohl der von der niederländischen Firma Bedrocan hergestellte Cannabis auf THC und CBD standardisiert ist, begründet das BfArM seine Haltung mit den „unbekannten bzw. variierenden“ Wirkstoffgehalten.
Bisher ist unklar, wie teuer der Extrakt sein wird, das BfArM hatte jedoch erklärt, er werde nur einen Bruchteil des Preises von reinem Dronabinol (THC) kosten. Weitere Patienten haben ebenfalls Anträge auf eine Ausnahmegenehmigung zum Import von Cannabis aus den Niederlanden oder zum Eigenanbau für den persönlichen Bedarf gestellt, beharren jedoch weiterhin auf ihren Anträgen, so dass in der kommenden Zeit mit gerichtlichen Auseinandersetzungen vor den Verwaltungsgerichten zu rechnen ist.
Am 9. Juli 2007 wurde hingegen ein Morbus-Crohn-Patient, dessen Antrag vom BfArM abgelehnt worden war, wegen des Imports von Cannabis in Untersuchungshaft genommen. Am 16. August 2007 wurde überdies ein Patient mit Hepatitis C zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr ohne Bewährung wegen Cannabisbesitzes verurteilt. Auch sein Antrag war vom BfArM in diesem Jahr abgelehnt worden, obwohl der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages in seinem Beschluss am 14. Dezember 2005 feststellte, dass es nicht sein könne, dass austherapierte Krebspatienten ihrem Schicksal überlassen werden und sie die teuren Medikamente, die allein ihnen noch ein menschenwürdiges Leben bereiten können, selbst bezahlen müssen. Das Bundesministerium für Gesundheit solle deshalb alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Regelung für alle schmerzgeplagten Betroffenen zu finden.
Weltweit fundamentalistische Cannabispolitik
Auf ihrem 50. Treffen vom 12. bis 16. März 2007 in Wien entschied sich die Suchtstoffkommission (CND), ein Gremium des Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (engl.: Economic and Social Council, ECOSOC ) gegen eine Umstufung von Dronabinol (THC), dem wichtigsten Wirkstoff von Cannabis, von der Klasse II in die Klasse III der Konvention zu psychotropen Substanzen von 1971, wie es das Expertenkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf seinem Treffen im Jahre 2006 empfohlen hatte.
Die WHO hatte festgestellt, dass die Substanz einen moderaten therapeutischen Nutzen besitzt, und dass aufgrund fortlaufender klinischer Forschung seine medizinische Verwendung wahrscheinlich zunehmen werde. Sie fand, dass die Klasse III passender sei und dass seine gegenwärtige Listung in Klasse II überholt sei. Die WHO schätzte das Missbrauchsrisiko für Dronabinol als sehr niedrig ein. Allerdings sprachen sich im Anmeldungsprozess für das CND-Treffen mehrere Länder – vor allem die USA – deutlich gegen eine Umstufung aus. Zudem hatte sich die Internationale Drogenkontrollbehörde (INCB) der UNO in ihrem jährlichen Bericht aus dem Jahre 2006 und im CND-Plenum gegen die WHO-Empfehlung ausgesprochen. Laut INCB gebe es Berichte von Missbrauch in einem Land, in dem es am meisten verschrieben werde – gemeint war die USA. Allerdings hatten die USA in ihrer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme zu Dronabinol an die WHO nur ein „niedriges Niveau an Diversion und Missbrauch“ angegeben.
In den mündlichen Stellungnahmen sprachen sich nur zwei der 15 Sprecher für die vorgeschlagene Umstufung aus. Mehrere Sprecher stellten die wissenschaftliche Basis der Empfehlung in Frage. Der Mangel an Unterstützung stellte einen bemerkenswerten Unterschied zu den schriftlichen Antworten dar, die die WHO in den vergangenen Monaten erhalten hatte, in denen 11 von 13 Ländern deutlich gemacht hatten, dass sie keine Einwände gegen die vorgeschlagene Umstufung hätten. Offenbar hatten die USA politischen Druck auf andere Teilnehmer des Treffens in Wien ausgeübt.
Cannabis als Medizin zulassen
Das BtMG ist ein Gesetz zur Regelung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln zum Wohle und gemäß den Bedürfnissen der Patienten. Doch für das BfArM scheint das BtMG in erster Linie ein Gesetz zur Verhinderung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln zu sein und offensichtlich wird beim BfArM die Verbotskultur (besser: Verbotsunkultur) höher bewertet als das Wohl der Patienten. Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, erklärte hierzu, dass es beschämend für ein zivilisiertes Land sei, dass es für diese Patienten keine andere Lösung finde, als sie wie Verbrecher zu behandeln und ins Gefängnis zu werfen.
Die fundamentalistische Prohibitionspolitik in der Bundesrepublik Deutschland nimmt billigend das Leiden von schwer kranken Patienten in Kauf und zeigt damit ihr wahres unmenschliches Gesicht, dass weit mehr von sadistischen Zügen als von Recht und Ethik geprägt ist. Weshalb gegen solche Rechtswidrigkeit nicht schnell und nachhaltig gerichtlicher Rechtsschutz mobilisiert werden kann, ist unerklärlich. An der Hanfparade protestieren wir gegen diese unmenschliche und rechtswidrige Politik und fordern, dass Cannabis für Patienten als Medizin zugelassen wird.
Ärzte in Deutschland können ab Freitag, 10. März 2017, für viele Krankheiten Cannabisblüten und -extrakte auf Rezept verschreiben, bei schweren Erkrankungen auch auf Kosten der Krankenkassen. Hierzu bemerkt der Deutsche Hanfverband (DHV) in seiner Pressemitteilung vom 9. März 2017: „Dieser Schritt stellt einen Meilenstein für alle Betroffenen und die gesamte Bewegung zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland dar. Nach jahrzehntelanger Ignoranz gegenüber dem Leiden von Patienten in Deutschland hat die Regierung endlich ein Einsehen. Dies geschieht jedoch nicht aus reiner Menschlichkeit. Die Regierung wollte damit auch das Recht auf Eigenanbau von Patienten verhindern, der ihnen von immer mehr deutschen Gerichten wegen ihrer Notsituation zugesprochen wurde.„
Bundestag votiert einstimmig für Cannabis als Medizin
Einstimmig hat der Bundestag am Donnerstag, 19. Januar 2017, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (18/8965) angenommen, wonach künftig schwerkranke Patienten auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung auch mit hochwertigen Cannabis-Arzneimitteln versorgt werden können. An der Abstimmung nahmen weniger als zehn Prozent der Abgeordneten teil.
Nachdem der Bundestag das Gesetz zur Verwendung von Cannabis als Medizin angenommen hatte, hat am 10. Februar 2017 auch der Bundesrat zugestimmt. Das Gesetz wurde dann am 9. März 2017 im Bundesgesetzblatt (BGBl I 2017 S. 403) veröffentlicht und tritt somit am 10. März 2017 in Kraft.
Der große Haken an der Sache
Franjo Grotenhermen, Geschäftsführer der Internationale Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente e.V. (IACM), vermeldete in den ACM-Mitteilungen vom 11. Februar 2017, dass das Gesetz allerdings einen großen Haken habe, wenn es um die Verschreibung dieser Medikamente zulasten der gesetzlichen Krankenkassen geht. Wörtlich heißt es in der Mitteilung: „Ärzte unterliegen einem so genannten Wirtschaftlichkeitsgebot und haben normalerweise ein begrenztes Arzneimittelbudget. Durch Patienten, die teure Medikamente verschrieben bekommen, wird dieses Budget überschritten. Das ist nur möglich, wenn diese Überschreitung im Einzelfall ausreichend begründet ist. Sonst bekommt der Arzt bzw. die Ärztin einen Regress und muss die zu Unrecht verschriebenen Medikamente aus eigener Tasche zurückzahlen. Das wird vermutlich zu einer erheblichen Verunsicherung und Zurückhaltung der Ärzte führen, wenn hier keine Klarstellung erfolgt, die solche Strafzahlungen ausschließt.„
Das neue Gesetz ist eine gute Sache, die vielen Betroffenen einen sicheren Zugang zu ihrem Medikament bietet und Deutschland zu einem der führenden Länder im Bereich Cannabis als Medizin machen wird. Doch die Krankenkassen zieren sich, wie man wenige Monate nach dem Inkraftreten des neuen Gesetzes feststellen musste. In nicht seltenen Fällen haben diese selbst Patienten, die bereits eine Ausnahmegenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für Cannabisblüten als Medizin haben, die Übernahme der Kosten erstmal verweigert. Für die Patienten bedeutet dies wieder einen enormen bürokratischen Aufwand bis hin zur Einschaltung von Rechtsanwälten, um an ihre Medizin zu gelangen. Für etliche Patienten geht auch mit dem neuen Gesetz der Leidensweg weiter. Gegen diese unwürdige Behandlung von schwer kranken Menschen wird auf den GMM-Demonstrationen protestiert.
Quellen
Hans Cousto: Richter ebnen den Weg für Cannabis als Medizin – Eine Analyse der medizinischen, juristischen und politischen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland mit Urteilen und Beschlüssen verschiedener Gerichte zum Anbau und Gebrauch von Cannabis zu medizinischen Zwecken. (Stand: Dezember 2003, PDF, 45 S.)
Das Recht ist die verbindliche Ordnung des allgemein akzeptierten Verhaltens innerhalb einer Gruppe (Staates), das ein Angehöriger dieser Gruppe gegenüber anderen Mitgliedern äußert. Das Recht ordnet menschliche Beziehungen. Der Genuss von psychotropen Substanzen wie Cannabis betrifft nur den Konsumenten selbst, er untersteht somit nur individualethischen Regeln und entzieht sich folglich als Verhalten des Einzelnen dem Recht als Regelung menschlicher Beziehungen. Jedem Menschen einen großen Spielraum einzuräumen, wie er sein Leben in eigener Verantwortung führen will, ist Kennzeichen einer liberalen Rechtsordnung.
Mit der Begrenzung des Rechts auf eine Regelung der Beziehungen zu anderen Menschen hängt ein Grundsatz des heutigen Strafrechts zusammen: Nur ein Verhalten, das die Rechtsgüter anderer Menschen oder einer ganzen Gruppe unmittelbar beeinträchtigen könnte, kann strafwürdig sein. Es genügt dazu nicht, dass die Mehrheit einer Gruppe, selbst eine kompakte Mehrheit, ein Verhalten moralisch verurteilt. Damit wird dem Strafrecht ethische Bedeutung nicht abgesprochen. Die Menschen zu bewahren vor äußerlich zugefügtem Schaden an Leib und Leben sowie Freiheit, Ehre und Eigentum, ist ebenfalls eine Aufgabe der Ethik, jedoch nicht der Individual- sondern der Sozialethik. Abgelehnt wird einzig die Auffassung, die Gebote der Individualethik oder gar der Religion strafrechtlich zu sichern. Ein Blick auf das Wirken der Inquisition oder das Wüten des Strafrechts in totalitären Staaten zeigen, welche Irrwege eröffnet werden, wenn das Strafrecht das Einhalten religiöser, moralischer oder politischer Überzeugungen gewährleisten soll.
Grundprinzipien der Menschenrechte und Bürgerrechte
Der Genuss psychotroper Substanzen wie Cannabis und alle Vorbereitungshandlungen dazu wie der Anbau, Erwerb und Besitz beeinträchtigen die Rechtsgüter anderer Menschen nicht und können aus ethischer Sicht somit auch nicht strafbewehrt sein, denn jeder muss in seiner Art genießen können und niemand darf, solange der Genuss nicht auf Kosten oder zu Lasten anderer erfolgt, ihn in seinem eigentümlichen Genuss stören. Dies ist ein Grundprinzip der Menschen- und Bürgerrechte. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verstößt in gravierender Weise gegen dieses Grundprinzip der Menschen- und Bürgerrechte, das jedem jedem die Freiheit zugesteht, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat also nur die Grenzen, die den anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss eben dieser Rechte sichern. Deshalb darf die gesetzgebende Gewalt keine Gesetze erlassen, welche die Ausübung der natürlichen und bürgerlichen Rechte beeinträchtigen oder hindern.
Recht und Gerechtigkeit
Gesetze, also von der Exekutive (Regierung) ausgearbeitete und der Legislative (Parlament) abgesegnete Gesetze, werden als gesetztes Recht oder auch als positives Recht bezeichnet. Der rechtspositivistische Rechtsbegriff wird allein durch die ordnungsgemäße Setzung und die soziale Wirksamkeit bestimmt. Gesetze dienen somit der Rechtssicherheit im sozialen Kontext und müssen deshalb zweckmäßig sein für das Gemeinwohl. Zudem muss das Recht der Gerechtigkeit dienen. Steht ein Gesetz in unerträglichem Maße im Widerspruch zur Gerechtigkeit oder wird bei der Setzung des Rechts (Einführung des Gesetzes) Gerechtigkeit nicht erstrebt oder gar bewusst verleugnet, dann wird ein solches Gesetz als „unrichtiges Recht“ bezeichnet.
„Ein Staat kann so aufgebaut werden, dass niemand gezwungen ist, etwas zu tun, wozu er nach dem Gesetz nicht verpflichtet ist, und niemand gezwungen ist, etwas zu unterlassen, was das Gesetz gestattet.„
Charles de Secondat, Baron de Montesquieu
BtMG = unerträgliches Unrecht
Das BtMG stellt die Vorbereitungshandlungen (Erwerb, Besitz) für den Genuss bestimmter psychotroper Substanzen unter Strafe, jedoch sieht das BtMG für die Vorbereitungshandlungen für den Genuss anderer psychotroper Substanzen keine Strafe vor. Strafwürdig ist nur der Umgang mit in den Anlagen I bis III zu § 1 BtMG aufgeführten Substanzen (Stoffe). Cannabisprodukte sind in den Anlagen aufgeführt und somit ist der Umgang damit strafwürdig. Da jedoch aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse der Umgang mit Cannabisprodukten weniger schädlich ist als beispielsweise der Umgang mit Alkohol, muss die im gesetzten Recht festgelegte Liste der „verbotenen Stoffe“ als willkürlich und somit als nicht gerecht (unerträglich ungerecht) respektive „unrichtiges Recht“ bezeichnet werden. Zudem beeinträchtigen Erwerb, Besitz und Genuss von Cannabisprodukten nicht den Genuss und/oder die Lebensqualität anderer Menschen. Somit verstößt das BtMG gegen die Grundprinzipien der Menschen- und Bürgerrechte. Auch in dieser Hinsicht muss das BtMG als „unrichtiges Recht“ bezeichnet werden.
Der Begriff „unrichtiges Recht“ wurde von dem Rechtsphilosophen Gustav Radbruch (bekannt durch die Radbruchsche Formel) im Jahr 1946 in dem Aufsatz „Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht“ eingeführt. Da die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland sich mehrfach auf diesen Aufsatz bezog, zählt dieser Aufsatz zu den einflussreichsten rechtsphilosophischen Schriften des 20. Jahrhunderts. Darin heißt es:
„Aber Rechtssicherheit ist nicht der einzige und nicht der entscheidende Wert, den das Recht zu verwirklichen hat. Neben die Rechtssicherheit treten vielmehr zwei andere Werte: Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit. In der Rangordnung dieser Werte haben wir die Zweckmäßigkeit des Rechts für das Gemeinwohl an die letzte Stelle zu setzen. Keineswegs ist Recht alles das, „was dem Volke nützt“, sondern dem Volke nützt letzten Endes nur, was Recht ist, was Rechtssicherheit schafft und Gerechtigkeit erstrebt. Die Rechtssicherheit, die jedem positiven Gesetz schon wegen seiner Positivität eignet, nimmt eine merkwürdige Mittelstellung zwischen Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit ein: sie ist einerseits vom Gemeinwohl gefordert, andererseits aber auch von der Gerechtigkeit.
Dass das Recht sicher sei, dass es nicht heute und hier so, morgen und dort anders ausgelegt und angewandt werde, ist zugleich eine Forderung der Gerechtigkeit. Wo ein Widerstreit zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit, zwischen einem inhaltlich anfechtbaren, aber positiven Gesetz und zwischen einem gerechten, aber nicht in Gesetzesform gegossenen Recht entsteht, liegt in Wahrheit ein Konflikt der Gerechtigkeit mit sich selbst, ein Konflikt zwischen scheinbarer und wirklicher Gerechtigkeit vor. Diesen Konflikt bringt großartig das Evangelium zum Ausdruck, indem es einerseits befiehlt: „Seid untertan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat“, und doch andererseits gebietet, „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen„.
Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, dass das positive, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, dass der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als „unrichtiges Recht“ der Gerechtigkeit zu weichen hat. Es ist unmöglich, eine schärfere Linie zu ziehen zwischen den Fällen des gesetzlichen Unrechts und den trotz unrichtigen Inhalts dennoch geltenden Gesetzen; eine andere Grenzziehung aber kann mit aller Schärfe vorgenommen werden: wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur „unrichtiges Recht“, vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur. Denn man kann Recht, auch positives Recht, gar nicht anders definieren denn als eine Ordnung und Satzung, die ihrem Sinn nach bestimmt ist, der Gerechtigkeit zu dienen.„
Rechtsbewusstsein ist zumeist schon im Kindesalter in sehr differenzierter Form ausgeprägt. Viele Menschen erinnern sich sehr genau, wann sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben ungerecht behandelt fühlten. Und das Zurückdenken an die ersten Erlebnisse, die mit Recht und Unrecht zu tun hatten, wecken oft sehr plastische Erinnerungen hervor. Da wurde man beispielsweise selbst oder jemand anderes in der Schulklasse für etwas bestraft, das die bestrafte Person nicht getan hatte. Da empfinden viele Menschen noch nach Jahren oder Jahrzehnten ein tiefes Gefühl von Ungerechtigkeit, es sei denn, jemand wurde für etwas bestraft, für das man selbst eigentlich hätte bestraft werden müssen. In diesem Fall hat man vielleicht triumphiert, doch selbst dann wusste man ganz genau, dass die Bestrafung eines andern für eine nicht begangene Untat nicht gerecht war.
Erkennen Kinder Lügen?
Auch schon sehr früh lernen Kinder zwischen wahr und unwahr zu unterscheiden. Ein typisches Beispiel soll uns dies vor Augen führen. Mutter, Vater und Kinder sind zu Hause beim gemeinschaftlichen Abendessen an einem Tisch versammelt. Das Telefon klingelt. Die Mutter nimmt den Hörer ab und aus ihren Worten geht hervor, wer die anrufende Person ist und dass diese den Vater zu sprechen wünsche. Der Vater aber macht der Mutter durch Gestik und in zischenden Lauten klar, dass er diese Person nicht sprechen wolle. Die Mutter erklärt nun auf Geheiß des Vaters der anrufenden Person, dass dieser nicht da sei. Egal, wie die Eltern diese Notlüge rechtfertigen mögen, die Kinder wissen ganz genau, dass die Behauptung, der Vater sei nicht da, unwahr ist. Wer die Unwahrheit sagt, ist ein Lügner und gilt als unglaubwürdig, wer die Wahrheit sagt ist redlich und gilt als vertrauenswürdig. Lügen gilt als Unrecht, auch wenn es kein Gesetz gibt, das Lügen unter Strafe stellt, nur der Meineid, das heißt die mit einem Eid bekräftigte Falschaussage vor Gericht, ist strafbar.
Das subjektive Rechtsempfinden des Einzelnen wird im heutigen Rechtsstaat vor allem geprägt durch die von Tradition und Norm garantierten Rechtsgüter: Unversehrtheit von Leib und Leben, freie Meinungsäußerung und Persönlichkeitsentfaltung, freie Verfügbarkeit über persönliches Eigentum und anderes mehr. So weiß jedes Kind genau, welche Spielsachen ihm gehören und welche nicht. Über die eigenen Spielsachen will das Kind stets selbst verfügen können, und wehe, ein anderes Kind nimmt die Spielsachen weg und verunmöglicht die Verfügbarkeit. Ein Unrecht ist geschehen. Anderseits gibt es kaum Kinder, die nicht wissen, dass, wenn sie jemanden etwas klauen, dies ein Unrecht ist. Sie passen auf, beim Diebstahl nicht erwischt zu werden und manchmal plagt sie sogar das schlechte Gewissen. „Mein“ und „Dein“ ist eine Rechtsnorm, die Kinder bereits gut verstehen.
Gesetze ohne Akzeptanz
Was Recht und was Unrecht ist, muss, damit eine Rechtsnorm allgemein akzeptiert wird, verständlich und überzeugend sein. Nur eine allgemein akzeptierte Rechtsnorm kann auf Dauer den sozialen Frieden in der Gesellschaft sichern. Eine Rechtsnorm, die bestimmte Gruppierungen der Gesellschaft diskriminiert und andere bevorzugt, bringt Zwietracht ins Land und ist der Keim von sozialen Unruhen und Gewaltexzessen.
Solange, wie zuvor bereits erwähnt, der heutige Rechtsstaat im Bewusstsein der Menschen als Garant von in der Verfassung genau umrissenen Rechtsgütern wie eben zum Beispiel die freie Meinungsäußerung und Persönlichkeitsentfaltung verankert ist, wird der soziale Friede im Land von einer großen Mehrheit der Bevölkerung gestützt. Assoziiert jedoch eine Mehrheit mit modernem Rechtsstaat Begriffe wie Kronzeugenregelung, V-Leute, großer Lauschangriff, Observation, Telefonüberwachung, Rasterfahndung, Datenspeicherung etc., dann fühlen die Menschen sich gedemütigt und sehen sich nicht mehr als Teil des Staates, sondern denselben als Bedrohung und Feind.
BtMG beschneidet Lebensgestaltung
Das BtMG ist eine Rechtsnorm, die von vielen in ihrer heutigen Form nicht akzeptiert wird, da das BtMG eine einseitige und willkürliche Beschneidung individueller Lebensgestaltung mit sich bringt. Etwa ein Viertel aller 12-59jährigen in Deutschland lebenden Menschen haben bereits Erfahrungen mit illegalisierten Drogen. Das heißt, dass in dieser Altersgruppe etwa 12,5 Millionen Menschen so genannte „nicht verkehrsfähige Stoffe“ und/oder „nicht verschreibungsfähige Stoffe“ konsumierten. Hier handelt es sich somit nicht um eine so genannte „kriminelle Minderheit„, sondern um einen relevanten Anteil der Gesamtbevölkerung. Vor diesem Hintergrund ist es wahrlich schwierig, jungen Drogenkonsumenten die Notwendigkeit eines eigenen Rechtsbewusstseins zu vermitteln. Eine Richtungsänderung in der Betäubungsmittelpolitik ist somit nicht nur von Nöten, um der Verelendung von Drogenabhängigen vorzubeugen und die Zahl der Opfer zu mindern, nicht nur um der Beschaffungskriminalität den Nährboden zu entziehen, nicht nur um den Drogenschwarzmarkt auszutrocknen und somit die Einnahmequellen der organisierten Kriminalität abzugraben, nicht nur um Misstrauen in der Gesellschaft und Verrat und Erpressung in Familien vorzubeugen, sondern vor allem auch, um ein vernünftiges und glaubwürdiges Rechtsbewusstsein in der Gesellschaft wieder herzustellen.