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Junge Welt, 17. August 2004

Es herrscht Ruhe Punker klatschen für Vogelfutter: Das war die Hanfparade in Berlin

Wir suchen die Hanfparade am Samstag in Berlin. Die Abschlußkundgebung soll, glaube ich, auf dem Mariannenplatz sein. Um zwei oder so, sagt mir meine Erinnerung. Die ist allerdings nicht besonders gut. Macht nichts, relax. Auf dem Heinrichplatz stehen Buden. Sonst ist nichts los. Man drückt uns einen Zettel in die Hand. »Das hat nichts mit der Hanfparade zu tun«, erklärt ein Typ, »wir sammeln für einen Brunnen in Afrika.« Wer's glaubt: das wird bestimmt 'ne Mordsröhre - das gute alte Erdrauchen stirbt wohl niemals aus.

Auf dem Mariannenplatz ist noch weniger los. Im Schatten unterhält sich eine Gruppe junger Leute: »Meine Mutter mag dich nicht, weil du immer mit den Ratten sprichst«, sagt ein Mädchen - ich glaube wir sind jetzt auf der richtigen Spur. Alle warten auf einen ordentlichen Zug, aber der hängt wohl immer noch am Roten Rathaus rum: »Sollen wir nicht mal langsam losgehen?« - »Was?« - »Losgehen oder so.« - »Ach ich weiß nicht, relax.«

Zum O-Platz hin nimmt die Bullendichte rasch zu: Also hier werden sie ankommen. Man ist gut gerüstet gegen den Ansturm der bekannt gewalttätigen Kiffer. Auf dem Platz stehen Buden mit Hanfessen, Hanfklamotten, Hanfschmuck undf Hanfliteratur. Ansonsten herrscht Ruhe, die Ruhe vor dem Sturm. Gegen drei wabern riesige schwarze Wolken aus Richtung Nordwest auf den Oranienplatz zu. »Jetzt kommen sie endlich«, denken wir, denken alle, bevor sich der Qualm doch nur als Unwetter entpuppt. Es schüttet wie aus Kübeln. Jetzt trifft die Demo ein. An ihrer Spitze umkurvt ein großer bunter Bus langsam den Platz und hält direkt vor unserer Nase. Trockenen Fußes entsteigen ihm privilegierte First-Class-Kiffer: Von wegen klassenlose Gesellschaft - jede Form von Konsum schafft neue Schranken. Bei Kuchen-Kaiser kostet das Pinkeln heute 20 Cent.

Der Regen hat aufgehört, und wir besichtigen das Breitomobil. Auf der Scheibe klebt eine Plakette vom Arlberg-Straßentunnel: Da mal zugedröhnt durchzuheizen war sicher ein Erweckungserlebnis der besonderen Art. Viele Leute tanzen barfuß zwischen den Scherben. Ein Indianer kennt keinen Schmerz, auf jeden Fall nicht direkt nach der Friedenspfeife. Wir bekommen THC-Führerscheine und ein Flugblatt »keine Pflanze ist illegal«. Ich kann auch nüchtern lustig sein. Ein Bier brauche ich halt - das ist viel leichter zu steuern als die Kifferei, von deren Vereinzelungstendenz ganz zu schweigen. Ich nehme doch eine Droge nicht nur, weil sie illegal ist - da könnte ich ja genausogut Sprengstoff oder Falschgeld fressen. Ob er denn nicht nachher noch die Abschlußkundgebung mache, frage ich Herrn Ströbele oder jemanden, den ich dafür halte. Nein, meint er, das besorge der Veranstalter. Gut gekontert - voll der Politiker. Die Reden beginnen mit einem Liberalen: Irgendeine Vogelfutterproblematik, und dann kam die Polizei. Die Polizei! Zu den Liberalen!! Die haben's echt faustdick hinter den Ohren.

Gibt's eigentlich auch Demos, für das Recht, sich ungestraft zu verblöden oder totzufahren? Nein, denn das ist erlaubt. Bei der Hanfparade klatschen Punker für Vogelfutterleute. DIE tarnen sich doch nur mit solchen Liberalisierungen, um dahinter um so besser die Sau rauszulassen: Bomben auf Belgrad, Hartz IV, Osterode/Harz und am Ende dann Bad Harzburg - wohl bekomm's! Besser, die Fronten sind geklärt: Hier sind wir und dort sind DIE. Get wise - don't legalize!