Foto von der Auftaktkundgebung, Blick von hinten

Völker, hört die Signale: Global Marijuana March 2014

Im dritten Teil unserer „Mini-Serie“ über Aktivitäten des Hanfparade-Teams berichtet euch heute Ferdinand, der erst in diesem Jahr zum OrgaTeam dazugestoßen ist, von seinen Eindrücken des von ihm selbst mit vorbereiteten und durchgeführten Berliner „Global Marijuana March“ (GMM) – einer vom US-amerikanischen Aktivisten Dana Beal 1999 ins Leben gerufenen weltweiten Legalisierungsaktion, die zum Ziel hat, jedes Jahr Anfang Mai Millionen Menschen überall auf der Welt für eine gemeinsame Sache in ihren Städten zu versammeln: Das Ende der Hanf-Prohibition und des Krieges gegen Drogen. In Deutschland gab es in diesem Jahr 16 erfolgreiche Aktionen zum GMM, so viel wie noch nie zuvor. Weltweit waren 210 Veranstaltungen in 40 Ländern geplant.

Global Marijuana March 2014 Berlin

Waren Sie schonmal am Kottbusser Tor? Ich war am 10. Mai zum ersten Mal so richtig da, bin nicht nur dort ausgestiegen, um zu Fuß weiterzugehen, sondern traf mich mit Greg, um die Soundanlage für den GMM Berlin abzuholen.

Ein echtes Tor habe ich zwar vermisst, durfte mich aber trotzdem gut auf die anstehende Demo einstimmen. Als Treffpunkt geplant war das Protestcamp am Kottbusser Tor, ein Treffpunkt der Bürger des umliegenden Kiezes die gegen steigende Mieten protestieren. Nun suchte ich mir die nächste größere Menschenansammlung, in Kreuzberg nicht unbedingt die beste Idee wie sich bald herausstellte, immerhin war das Kotti nicht umsonst eine Station an der Route unserer Demo. Während ich mir eine Zigarette dreht wurde ich Zeuge eines Gespräches über gestreckte Drogen, das Aluknäuel in der Hand der einen Beteiligten wies auf Marijuana hin, es hätte auch eine andere Droge sein können. Auf jeden Fall wurde der dubiose Stoff von irgendeinem Dealer gestreckt, leider geht das bei Gras sehr einfach. Nun schlug das Gespräch, themenverschuldet, nach kurzer Begrüßung auch gleich in Aggressivität um und wies so eines der vielen Probleme der aktuellen Drogen-„Politik“ auf: Der Dealer streckt für noch höheren Gewinn (als wäre der nicht sowieso schon astronomisch) und der Konsument trägt die Schäden, immerhin wird er um das erhoffte Erlebnis gebracht und zerstört sich seine Atemwege. Weder erstes noch letzteres wäre mit reinem Gras, an dem der Staat noch Geld durch Versteuerung verdient hätte, nicht passiert.

Während des Konsums von meinem mit knapp 75% versteuertem Tabak ohne Zusatzstoffe wurde ich nun, als nicht betrunken in der Menschentraube leicht auffallend, auf ein weiteres Problem der Drogenprohibition angesprochen, nämlich ob ich nicht ein bisschen brauche. Genau, ein Haarspray-Grüner-Tee-Blei-Mix fehlte mir gerade, nach oben beschriebenem Gespräch. Angeboten an jemanden, der nicht gerade wie schon 18 aussieht – das alles möglich gemacht durch jahrzehntelange Prohibition, die den Handel in den Untergrund trieb und ihn jeder Kontrolle durch die Gesellschaft entzog. Die Dealer, die mich angesprochen haben, haben sicherlich kein Problem, auf Jugendliche zuzugehen und ihnen etwas von dem mehr als dubiosen Stoff zu geben, den sie Gras nennen. Und, warum nicht kaufen? Anstatt Kindern die genauen negativen Einflüsse von Cannabiskonsum auf das sich noch in der Entwicklung befindliche Gehirn zu erklären, sagen wir ihnen nur, dass es schlecht und zu Recht verboten sei, ganz im Gegensatz zu Alkohol und Nikotin, die ja auch viel weniger Leute umbringen als Cannabis {Zynismus aus}.

Foto von der Auftaktkundgebung, Blick von hinten

Frisch bestätigt in meiner politischen Überzeugung brachte ich die zwei Beatbarrels zusammen mit Greg zur Hasenheide. Dort wurde dann auch ab halb zwei jeder Ankömmling mit hochqualitativem Minimal begrüßt, zumindest bis die Veranstaltung durch Greg und Steffen musiktechnisch gerettet und in gewollte Bahnen gelenkt wurde. Ja, der GMM Berlin begann mit einer Auftaktkundgebung in der Hasenheide unter dem Motto „vom Dealer (Hasenheide) zum Coffeshop (Görli)“

Jeder eifrige Hanfaktivist, der an diesem Tag früh, also gegen Mittag, aufgestanden war, wurde so auch mit schönem Wetter und von freundlichen Menschen begrüßt. Kurz vor zwei hatte sich so schon eine nette fröhliche Gruppe am Haupteingang der Hasenheide breit gemacht und wurde mit Klassikern der Legalize-Musik und dem deutschen Kulturerbe allgemein empfangen (hier sei besonders auf „Wir kiffen“ von Stefan Raab hingewiesen) und auf die bevorstehenden Reden zu Beginn des Global Marijuana March Berlin 2014 eingestimmt. Nach der Begrüßung durch Steffen Geyer, seines Zeichens Mitarbeiter des Hanf Museums zu Berlin und Legalisierungsaktivist im glücksverheißendem 13. Jahr, sprach Hans Cousto, Veteran der Szene rund um psychotrope Substanzen, die allgemeinen Probleme der Prohibitionspolitik an. So kollidiert sie schlicht und einfach mit der Erklärung der Menschenrechte und so auch dem Grundgesetz. Das gilt nicht nur für Cannabis, sondern auch für alle anderen psychoaktiven Substanzen, so Hans.

Foto von Tibor Harrach bei der Auftaktkundgebung

Durch die Ansetzung auf den 10. Mai hatten dann auch Aktivisten aus anderen Städten die Zeit, nach Berlin zu kommen, zum Beispiel Stefan Fichte. Sogar ein „echter“ Politiker, Tibor Harrach von den Grünen, war vor Ort und machte dann auch so richtig Wahlkampf, mit Ablesen und großem Plakat, Präsentieren von nicht vorhanden Ergebnissen und so weiter. Der Sprecher nach ihm, Jost Leßmann von der Grünen Hilfe, rügte ihn dann dafür. Immerhin ist Tibor einer der wenigen bei den Grünen, die wissen, dass im Parteiprogramm schon lange ein Ende der Sackgasse Prohibition gefordert wird. Da kann man dann nicht so tun, als wäre Legalisierung bei Bündnis 90/Die Grünen an der Tagesordnung, vor allem wenn man die letzte Aktion in diese Richtung betrachtet. Der „Coffeshop-Vorschlag“ von der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann war doch eher ein gebrochenes Wahlversprechen. Nach dieser Einleitung ging es dann via HermannplatzKottbusser DammKottbusser TorHeinrichplatzOranienstraße, Wiener Straße zum Görlitzer Park.

Hier war ich persönlich weiter mit dem Transport der Soundanlage beschäftigt, was sich als äußerst ruhiger Job erwies. Zugegebenermaßen, nicht einmal der Job der Polizisten war anstrengend, denn wie üblich für eine Legalisierungsdemo, zog eine fröhlich lärmende und immer friedliche Menge durch die Straßen. Es herrschte eine fast familiäre Atmosphäre, die hauptsächlich der Cannabiskultur geschuldet ist. Mit fremden Leuten schnell Freund sein, eine Joint teilen, den Grinder und die Longpapes mit Vertrauen weggeben, das gehört für mich zum Gras wie der Geruch und genau das zeigte sich auch hier wieder. Die Polizei griff wie bei den anderen GMMs nicht ein und war auch äußerst freundlich zu den Demonstranten. Persönlich bin ich ja kein Freund von Parolen und war damit anscheinend auch nicht allein. Klar waren wir hier und laut, weil man uns das Ganja klaut. Dieser Spruch schallte vor allem unter der U-Bahn-Trasse am Kottbusser Tor sehr schön laut, aber sonst gab sich die Demo eher ruhig. Es hatte eher den Charakter eines Volksfestes, nicht wie auf der Wies’n oder der Baumblüte, wo sich Menschen zu Hauf sinnlos besaufen, um sich dann zwei Tage gefüllt mit dröhnenden Kopfschmerzen und halbwegs ausgeschlafenem Rausch selbst auszulachen, in Erinnerung an die zwei, drei Ereignisse, die man nicht durch Alkoholkonsum vollkommen vergessen hat. Nein, es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Es wurde geredet, gelacht und neue Freundschaften wurden geschlossen. Es war einer der Tage im Jahr, an dem man auf viele Gleichgesinnte traf. Sprach ich schon über die Nebenwirkungen von Cannabis? Nein? Dann sei hier eine zu Die Antwoords „I fink u freeky“ ausgelassen tanzende Menge erwähnt.

Foto von sitzender Menge auf dem Heinrichplatz Foto von einem Redner auf dem Heinrichplatz, im Hintergrund Polizeiautos

Zum Zwischenstopp vor dem Hanfhaus in der Oranienstraße beeindruckte mich vor allem die Rede eines Hannoveraners über seine Probleme, etwa mit der Medizinbeschaffung. Es kann nicht sein, das jemand Schmerzen leidet, nur mit chemischen Medikamenten behandelt wird, natürlich reich an Nebenwirkungen und arm an Wirkungen, wenn Marijuana nach etlichen Erfahrungsberichten besser wirkt und dies vor allem fast ohne Nebenwirkungen. Natürlich wird das ganze beschwerlich, wenn die Krankenkassen die Behandlung nicht übernehmen und eine 5-Gramm-Dose medizinisches Cannabis von 38€ Kaufpreis in Holland auf mysteriöse Weise 80€ an Wert gewinnt, sobald sie in Deutschland ist.

Könnte eine Legalisierung die Situation verbessern?

Es ist ja nicht so, als wollte dies nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Und mit diesem GMM haben wir wieder Aufmerksamkeit erregt und die Auseinandersetzung des Großteils der Gesellschaft mit dem Thema gefordert und gefördert. Viele Menschen standen am Rand und haben uns gefilmt, manche sich sogar angeschlossen. Vor allem auf dem letzten Abschnitt kurz vor dem Görli erreichten wir nochmal besonders viele, die das Thema direkt betrifft. Immerhin sind wir die einzigen, die einen klar durchdachten und funktionierenden Plan haben, das Kriminalitätsproblem im Park auf die Reihe zu bekommen. Polizeiaufgebot macht den Park nicht sicherer, wie auch auf der Abschlusskundgebung gesagt wurde. Selbst wenn das Bezirksamt und die Stadt bereit sind, täglich Razzien durchzuführen und das Polizeiaufgebot massiv zu erhöhen. Denn dann geht das Problem – die kriminellen Dealer – in einen anderen Park. Genau das war Thema der Abschlusskundgebung, die im Amphitheater des Görlitzer Parks stattfand. Die Polizei verließ den Ort und die Demonstration ging friedlich und freundlich ihrem Ende entgegen.

Gruppenfoto nach der Abschlusskundgebung des GMM 2014 Berlin im Görlitzer Park Berlin

Musik gehört gehört zur Demonstrationskultur und gilt auch dann als politische Aussage, wenn sie keine Texte hat – das ist in dem berühmten „Fuckparade“-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts richterlich beschieden worden. Wir haben auf dem GMM Berlin größtenteils sogar Songs gespielt, in denen die MusikerInnen textlich für die Legalisierung Stellung beziehen. Aus diesem Grund als Extra zu unserem Nachbericht, hier die vollständige Playlist der Demo:

Playlist Global Marijuana March Berlin 10.05.2014

13:40 – Bob Marley – Get Up, Stand Up
13:43 – Kottonmouth Kings – Proud To Be A Stoner
13:48 – Stefan Raab – Wir kiffen (Maxi Version)
14:38 – Peter Tosh – Legalize It
14:43 – Benjie – Wachtmeister RMX
14:47 – Benjie – Ganja Smoka
14:50 – Ton Steine Scherben – Shit-Hit (Live)
14:55 – Joint Venture – Eduard der Haschischhund
15:00 – Deekline & Ed Solo ft.Million Dan – Paella (Blaze It Up)
15:09 – Raggabund – Ganjatherapie
15:16 – Fahnenflucht und Zaunpfahl – König Gras
15:19 – Seeed – Dickes B
15:24 – Ziggi – Blaze It pt. II feat. Anthony B
15:27 – Bob Marley & The Wailers – Buffalo Soldier
15:32 – Die Andwoord – I fink u freeky
15:36 – Bob Marley & The Wailers – Kaya
15:40 – Ziggi – Blaze it
15:43 – Stefan Raab feat. Shaggy – Gebt das Hanf frei
15:50 – Seeed – Sensimillia
15:56 – Joint Venture – Hank starb an ’ner Überdosis Hasch
15:59 – Ganjaman feat. Junior Randy – Ganjafarmer
16:03 – Ede Whiteman feat. RastaBenji – Der Buschdokta
16:10 – Chronixx – Perfect Tree
16:13 – Sublime – Smoke Two Joints (Live)
16:17 – Nosliw – Dope & Gras
16:29 – Cypress Hill – Hits From the Bong
16:33 – Nikitaman – Mein Weed
16:43 – Tolga & D-Flame – Highssgeliebtes Gras
16:47 – Niyorah – Positive Herb

…und später: spontaner Streetrave zur Boxenabgabe mit Äpiläpti – it is what it is…

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